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Man hat es kommen sehen: trotz eindrücklicher Wirksamkeit funktioniert eine HCV-Therapie unter Umständen nicht. Von einem Therapieversagen betroffen sind nur wenige Patienten – das ist die gute Nachricht. Die wenigen, die es trifft, kämpfen aber buchstäblich um ihr Leben. Von den Krankenkassen werden sie im Stich gelassen.

Wir rechnen mit im Moment etwa 50 Patienten in der Schweiz, die mit den neuen, hochwirksamen Therapien behandelt wurden und aus unterschiedlichen Gründen nicht geheilt werden konnten. Und wir wissen bis jetzt von vier Fällen – einem in der Ostschweiz, einem am Genfersee sowie zwei ko-infizierten Personen aus der HIV-Kohortenstudie, bei denen die Krankenkasse die Kostenübernahme für eine zweite Behandlung verweigert.

Die durch das BAG verfügten Limitationen sehen diese Fälle gar nicht vor. Einzelne Krankenkassen glauben deshalb, den Kopf aus der Schlinge ziehen zu können und verweigern die Kostenübernahme für die Zweittherapie.

Wir müssen uns bewusst sein, dass die betroffenen Patienten bereits an einer fortgeschrittenen HCV-Infektion litten, da sie sonst gar keine Therapie bekommen hätten. Selbstverständlich wäre es, dass man alles unternimmt, um auch diesen Patienten das Leben zu retten – genauso wie wir bei HIV-Infizierten gelernt haben, wie man mit Therapieresistenzen umgeht. Offenbar wird das im Zusammenhang mit der Hepatitis C noch nicht verstanden.

Der Positivrat akzeptiert das nicht. Die betroffenen Patienten brauchen dringend Hilfe, und sie brauchen eine funktionierende Therapie. Wir bleiben am Ball.

David Haerry / Februar 2016

Es war eine kleine Sensation: Die europäischen Behandlungsrichtlinien empfehlen die PrEP auch ohne Zulassung der europäischen Medikamentenbehörden. Frankreich führt die PrEP offiziell ein und übernimmt die Kosten über das Gesundheitssystem. Die Eidgenössische Kommission für Sexuelle Gesundheit EKSG äussert sich positiv zur PrEP. Und ein Leser hinterfragt unsere Meinung.

EACS Barcelona
Es gab nicht einmal viel Aufsehen an der Konferenz, als die Therapierichtlinien Version 8 vorgestellt wurden – die Kliniker empfehlen den Einsatz der PrEP, und dies bevor die europäischen Medikamentenbehörden eine entsprechende Zulassung erteilt haben. In einer gemeinsamen Presseerklärung mit der Patientengruppe EATG erklärt die EACS ihre Haltung wie folgt: „Die Wissenschaft hat eine Antwort geliefert, und die Richtlinien reflektieren die Studienresultate aus PROUD und IPERGAY.“ Der EACS-Präsident Professor Manuel Battegay betont denn auch wie wichtig es sei, dass die Behörden mit der Zulassung vorwärts machen. „Auch bei den aktuellen Preisen für Truvada sparen wir Geld wenn wir eine PrEP an schwule Männer aus Hochrisikogruppen verschreiben“, bestätigte die PROUD-Studienleiterin Prof. Sheena McCormack aus London.

Warum sind die europäischen Behörden so spät dran, wo doch die amerikanische FDA schon 2012 eine Zulassung erteilt hat? Die Antwort: Die Amerikaner haben aufgrund von Studienresultaten eine Zwangszulassung verfügt. Die europäischen Behörden haben dieses Instrument nicht – sie müssen warten, bis eine Firma eine Zulassung beantragt (dasselbe gilt für Swissmedic in der Schweiz). Vor wenigen Tagen kam endlich grünes Licht aus London: Das Dossier wird jetzt bearbeitet, innert 60 Tagen sollte die Antwort der Behörde vorliegen.

Frankreich macht vorwärts
Am vergangenen 23. November hat die französische Gesundheitsministerin die Einführung von PrEP ab 1. Januar 2016 angekündigt, dies bei voller Kostenübernahme durch das Gesundheitssystem. Der Ankündigung vorausgegangen waren monatelange Konsultationen hinter den Kulissen. Nach dem vorzeitigen Abbruch der IPERGAY-Studie war der Druck zu gross geworden – das System musste reagieren und die Intervention zugänglich machen. Ärzte und Aidsorganisationen zeigten sich erleichtert. IPERGAY ist die erste Studie, welche die Wirksamkeit von PrEP bei Bedarf, vor und nach dem Sex nachweist.

Und die Schweiz?
Ganz untätig war man hier nicht, doch die Mühlen mahlen etwas langsamer. Zum ersten sind die Neuansteckungen auch bei schwulen Männern einigermassen unter Kontrolle, zum zweiten wurde in der Schweiz keine PrEP-Studie durchgeführt. Die Arbeitsgruppe Klinik und Therapie der eidgenössischen Kommission für sexuelle Gesundheit EKSG (die frühere EKAF) hat sich trotzdem mit der Frage befasst. Einige Ärzte verschreiben die PrEP auch in der Schweiz, weil ihre Patienten danach fragen, und aufgrund der Entwicklung in Europa man die Augen nicht weiter verschliessen konnte. Am 25. Januar 2016 hat das BAG-Bulletin die Meinung der Kommission publiziert. Als Zielgruppe werden HIV-negative Personen mit hohem Ansteckungsrisiko genannt, welche häufig Partner wechseln und Schwierigkeiten mit der konsistenten Verwendung von Kondomen haben. Kürzlich erworbene Infektionen mit Syphilis oder dem venerischen Granulom, eine wiederholte Post-Expositionsprophylaxe oder der Gebrauch sogenannter Chemsex-Drogen können Hinweise auf eine Gefährdung liefern.

Das Verschreiben der PrEP erfolgt in der Schweiz „off label“, da keine Zulassung der Swissmedic vorliegt (die Herstellerfirma hat noch keinen Antrag eingereicht, beabsichtigt dies aber zu tun). Die Kosten werden von der Krankenkasse nicht übernommen. Auf längere Sicht ist das unbefriedigend – zum ersten wird eine Post-Expositionsprophylaxe auch übernommen und zum zweiten sollte der Zugang zu einer wirksamen Intervention für alle möglich sein und kein Privileg darstellen. Die Diskussion um Kostenübernahme muss darum auch in der Schweiz geführt werden. Siehe dazu auch die Position der Positivrates Schweiz.

Eine Zuschrift und unsere Replik
Im vergangenen Juli haben wir uns etwas aus dem Fenster gelehnt. Im Artikel „PrEP ist ok – nur für Amerikaner?“ resümierten wir „Auch wenn PrEP teurer ist als ein Kondom: Die Intervention ist auch wirksamer als der Gummi und ein weiterer, wichtiger Pfeil im Köcher der Prävention.”(1) Ein aufmerksamer Leser hat nachgefragt, wie wir das begründen. Dazu muss man etwas ausholen.

Theoretisch müsste man in einer Meta-Analyse die Wirksamkeit von 100% Kondomgebrauch mit der Wirksamkeit von 100% Adhärenz unter PrEP vergleichen. Es gibt solche Meta-Analysen über den Kondomgebrauch. Sie gehen von einer Wirksamkeit von 80-85% aus. Aidsmap schreibt dazu: Wenn Kondome zu 100% eingesetzt werden, wenn auch nicht immer 100% perfekt (sie können zum Beispiel platzen), beträgt der Schutz gegen HIV 80-85%. Mit anderen Worten: Wenn sich 100 Personen ohne Einsatz von Kondomen infizieren, würden sich 15 Personen infizieren, wenn Kondome immer eingesetzt werden. Wichtig dazu: diese Zahlen gelten für heterosexuellen, vaginalen Geschlechtsverkehr (2).

Dawn Smith hat für das amerikanische Center for Disease Control die Wirksamkeit von 100% Kondomgebrauch untersucht. Er zieht dabei einen Durchschnitt aus zwei unterschiedlichen Studien und kommt auf 70% Wirksamkeit (3). Dieser Wert wird durch eine frühere Studie über die Wirksamkeit von Kondomen bei Analverkehr bestätigt.

Bei PrEP haben wir einen einzigartigen Vorteil: Wir können messen und nachweisen, ob die PrEP genommen wurde oder nicht. Beim Kondomgebrauch müssen wir uns darauf verlassen, was die Studienteilnehmer erzählen – natürlich brauchen sie die Kondome „immer“, aber man kann es nicht überprüfen. Auch in PrEP Studien haben die Teilnehmer berichtet, wie genau sie es mit der PrEP nehmen – nur hat man sie dort erwischt. In iPrex betrug der Unterschied zwischen rapportierter und gemessener Adhärenz 90% zu 75%; in anderen PrEP Studien betrug die gemessene Adhärenz sogar nur 51%.

Zurück zu den Studien über die Wirksamkeit von Kondomen: Wir wissen mit Sicherheit, dass die Leute ihr Verhalten beschönigen. Und: entweder berichten die Leute korrekt, wie sicher sie Kondome einsetzen, aber die Kondome sind nicht so wirksam - darum hätten wir eine Wirksamkeit von 70% . ODER die Kondome werden zu 100% eingesetzt und funktionieren auch bei 99%, aber die Leute beschönigen und brauchen sie nicht 100% obwohl sie das Gegenteil behaupten, und wir haben darum eine Wirksamkeit von 70%.

Vor PROUD und IPERGAY konnte man über die Statistik argumentieren und sagen, dass unter Berücksichtigung der Adhärenz Kondome und PrEP gleich effizient wären. Seither ist aber die Katze aus dem Sack. Wir sahen 86% Wirksamkeit auch in Situationen wo die Medikamentenspiegel eine Adhärenz von 76% anzeigten (PROUD) oder der Sex durch zwei Dosen bloss in 50% der Fälle wirklich abgedeckt war (IPERGAY). Das zeigt: PrEP vergibt eine gewisse Nachlässigkeit und ist flexibel im Einsatz, man kann fast 100% Wirksamkeit auch dann erreichen, wenn man nicht ganz alle Dosen nimmt.

Zudem haben wir seither auch die beeindruckende Kaiser Studie mit nicht einer Ansteckung unter mehr als 700 Hochrisikoschwulen. Das hätte man nicht gesehen, wenn man denselben Leuten Kondome empfohlen hätte.

Wir bleiben also dabei: Die PrEP kostet zwar, ist aber wirksamer als der Gummi und ein weiterer, wichtiger Pfeil im Köcher der Prävention.

Was mache ich, wenn ich eine PrEP will?
Bitte nicht:

  • Truvada beim Kollegen besorgen, der eine Therapie nimmt. Das kommt für beide nicht gut.
  • Truvada übers Internet bestellen. Wir raten dringend davon ab, über Internet Apotheken verschreibungspflichtige Medikamente zu beziehen. Im besten Fall ist kein Wirkstoff drin, oder die Sendung wird vom Zoll beschlagnahmt. Im schlimmeren Fall ist der Wirkstoff zu schwach oder ein anderer als angegeben.

Bitte so:

  • Einen Arzt kontaktieren, der Erfahrung mit der HIV-Therapie hat (nur diese Ärzte kennen Truvada gut und können PrEP-Kunden sinnvoll beraten und überwachen).
  • Mit einem Rezept in der Apotheke beziehen und gemäss Anweisungen des Arztes einnehmen.
  • Wer Stimulans und Chems beim Sex verwendet: Bitte das Thema offen mit dem Arzt ansprechen. Es geht auch darum, Wechselwirkungen zu verhindern.
  • Wer sparen will, kann in Basel oder Genf über die Grenze nach Frankreich in eine Apotheke gehen. Das ist etwas billiger und sicher.


David Haerry / Februar 2016  

 

(1) http://neu.positivrat.ch/medizin/therapie/128-prep-ist-ok-nur-fuer-amerikaner.html
(2) http://www.aidsmap.com/Do-condoms-work/page/1746203/#item1746205
(3) http://www.aidsmap.com/CDC-researchers-publish-estimate-of-effectiveness-of-condom-use-in-anal-sex/page/2930716/

Das Risiko, an einer Lebererkrankung zu sterben, sinkt deutlich, und verbesserte allgemeine Überlebensraten – das sind in Kürze die Ergebnisse einer Analyse von 3'500 Patienten, welche an der EACS in Barcelona präsentiert wurde. Bei einer ähnlichen Studie wurde gezeigt, dass leberbedingte Erkrankungen zurückgehen, aber Leberkarzinome bei ko-infizierten Patienten ein Risiko bleiben. Die vorgestellten Studien beleuchten die heute veralteten Interferon-basierten Therapien, sie sind aber wegen der langen Beobachtungszeit trotzdem aufschlussreich.

Eine chronische HCV-Infektion führt über Jahre oder Jahrzehnte zu schweren Schädigungen der Leber – zum Beispiel durch eine Leberzirrhose, ein sogenanntes hepatozelluläres Karzinom oder Leberversagen, welches eine Transplantation erforderlich macht. Aus der Forschung wissen wir auch, dass die Erkrankung bei ko-infizierten Patienten rascher fortschreitet als bei Menschen, die sich nur mit einer Hepatitis-C allein infiziert haben.

COHERE (Collaboration of Observational HIV Epidemiological Research in Europe) ist eine Zusammenarbeit von 33 Kohortenstudien in Europa, welche alle Altersklassen abbildet. Die Grösse von COHERE ermöglicht die Beantwortung von Fragestellungen, welche eine einzelne Kohorte nicht beantworten kann.

Die Hepatitis Subgruppe von COHERE hat das langfristige allgemeine Todesfallrisiko, das Risiko von leberbedingten und nicht leberbedingten Todesfällen von ko-infizierten Patienten und die Auswirkungen einer Hepatitis-C Therapie in einer grossen Multikohortenanalyse angeschaut. 18 COHERE Partnerkohorten machten mit, inklusive die Schweizerische HIV-Kohorte SHCS.

In die Untersuchung eingeschlossen wurden Patienten, welche eine auf Interferon basierende Hepatitis-C Therapie begonnen haben und anschliessend für 96 Wochen beobachtet wurden. Die ganz neuen, interferonfreien Therapien konnten noch nicht berücksichtigt werden. Fast 80% der Patienten waren Männer, 60% haben in der Vergangenheit Drogen gespritzt. Im Durchschnitt waren die Patienten 42-jährig. Die meisten hatten zudem eine HIV-Therapie. Mehr als die Hälfte hatten HCV Genotyp 1; und 4% der Patienten waren dreifach infiziert (HIV, Hepatitis B und C).

Die Patienten wurden in drei Gruppen eingeteilt: 

  1. Erfolgreich therapierte: erhielten 24 Wochen Interferon/Ribavirin und der letzte HCV Nachweistest war negativ (Virus nicht mehr nachweisbar) 
  2. Erfolglos therapierte: erhielten weniger als 24 Wochen Interferon/Ribavirin (offenbar unwirksame Therapie) oder der letzte HCV Nachweistest war positiv (Virus nachweisbar)
  3. Erfolg nicht bekannt: erhielten 24 Wochen Interferon/Ribavirin, Informationen betreffend HCV Nachweistest fehlen.

3'500 Patienten wurden in die Untersuchung eingeschlossen. 28,5% gehören zur ersten Gruppe (erfolgreich therapiert); 45,3% zur zweiten (erfolglos therapiert) und bei 26,2% war der Erfolg nicht bekannt (Gruppe drei). Wenn man die drei Gruppen näher anschaut, zeigt sich, dass die erfolgreich behandelten später therapiert wurden (2007 gegenüber 2005), weniger häufig Drogen gespritzt haben (47% gegenüber 65% und häufiger Hepatitis B hatten. Auch hatten sie bessere CD-4 Werte und waren weniger häufig an Aids erkrankt.

Die erfolgreich therapierten hatten weniger häufig Genotyp 1 (dieser reagiert weniger gut auf eine Therapie mit Interferon). Die Forscher untersuchten die Überlebenszeit ab Woche 96 nach Behandlungsbeginn bis zum Todesfall oder bis zur letzten medizinischen Untersuchung. Insgesamt 213 Patienten verstarben innerhalb der Nachbeobachtungszeit von durchschnittlich 3,8 Jahren.

Die generelle Todesfallrate war bei den erfolgreich therapierten etwa halb so hoch wie bei den erfolglos therapierten. Wenn man nur die leberbedingten Todesfälle anschaut, wird der Unterschied noch grösser – nicht erfolgreich therapierte starben 4,5 mal öfter an leberbedingten Erkrankungen als erfolgreich behandelte.

Fazit und für uns heute wichtig:

  • Die Heilungsraten werden sich beim Einsatz der neuen, interferonfreien Substanzen nochmals deutlich verbessern, dies bei weniger Nebenwirkungen und kürzerer Therapiedauer
  • Der Effekt auf die Todesfallraten wird sich also noch verstärken
  • Zulange warten bis eine Hepatitis C therapiert wird, lohnt sich nicht, denn wir haben es mit einer systemischen Erkrankung zu tun. 

Trends betreffend Leberkrebs (hepatozelluläre Karzinome) und Lebererkrankungen 

Diese Analyse bezieht sich auf die Jahre 2001 bis 2014. Berücksichtigt wurden Daten ko-infizierter Patienten aus den Studien von EuroSIDA, der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie SHCS, einer kanadischen sowie einer amerikanischen Koinfektionskohorte.

Mehrheitlich Männer (68%), im Durchschnitt 38 Jahre alt und 60% ehemalige Drogengebraucher, 5% mit einer zusätzlichen Hepatitis-B Infektion. Der Hepatitis-C Status wurde durch Antikörper bestimmt, nicht durch Bestimmen der Viruslast. Einige Studienteilnehmer könnten daher die Hepatitis-C spontan ausgeheilt haben. 

Insgesamt wurden 72 Fälle von Leberkrebs und zusätzlich 375 weitere Lebererkrankungen beobachtet, während einer kumulierten Beobachtungszeit von 45'000 Personenjahren. Patienten mit Leberkrebs waren etwas älter als jene mit anderen Lebererkrankungen und waren häufiger mit einer Hepatitis-B infiziert. Sie waren auch häufiger unter antiretroviraler Therapie und hatten höhere CD4-Werte.

Während der Beobachtungszeit stieg die Häufigkeit von Leberkrebs massiv von 0.4 auf 2.3 Fälle pro 1’000 Personenjahre. Gegenläufig sanken aber gleichzeitig die anderen Lebererkrankungen. Das stärkste Vorzeichen auf Leberkrebs war eine Leberzirrhose. Höheres Alter und Hepatitis-B verstärken das Risiko, während bessere CD4-Werte schützend wirken. Die Autoren nehmen an, dass der Leberkrebs zunahm, weil zugleich auch die Zirrhosefälle häufiger auftraten.


Was bedeutet das für uns?

In einer anschliessenden Debatte, ob eine Heilung von HCV „alle Probleme löst“ zeigten sich Juan Berenguer aus Madrid und Stefan Mauss aus Düsseldorf einig und beleuchteten leberbedingte Resultate und extra-hepatische Auswirkungen der Hepatitis-C Infektion (Erkrankungen ausserhalb der Leber). 

Die bekannten Studien zeigen übereinstimmend, dass eine erfolgreiche Therapie die Anzahl leberbedingter Komplikationen wie fortgeschrittene Fibrose, Zirrhose und Blutdruckanstieg in der Leberportalvene reduziert. Trotzdem besteht für HCV-Patienten auch nach einer Heilung ein erhöhtes Risiko, an Leberkrebs oder einer dekompensierten Leberzirrhose zu erkranken – eine Überwachung der Leber ist also trotz Heilung weiterhin nötig. Die Auswirkungen einer Heilung auf Erkrankungen ausserhalb der Leber sind hingegen weniger deutlich – man denke an die Kryoglobulinämie (Gefässentzündung), Diabetes Typ 2 und Herz-Kreislauferkrankungen. Die Aussichten für die Patienten verbessern sich zwar, und die leberbedingten Todesfälle nehmen ab. Auf die Erkrankungen ausserhalb der Leber hat aber die Therapie vor allem dann einen Einfluss, wenn die Fibrose noch wenig fortgeschritten ist.

Diese Beobachtungen sind ein Fingerzeig auf die negativen Auswirkungen von Behandlungslimitationen wie sie in der Schweiz leider immer noch vorkommen.

David Haerry / Februar 2016