Die Limitatio, die das BAG für die neuen, hochwirksamen Hepatitis-C-Medikamente verfügt hat, schränkt den Zugang zu den Medikamenten – und damit die Chance auf Heilung für Patientinnen und Patienten – drastisch ein. Sie führt auch immer wieder zu Problemen mit Krankenkassen, welche die Kostengutsprachen unterschiedlich und zum Teil sehr restriktiv handhaben. Wir dokumentieren hier besonders stossende Fälle.
Wenn Sie ebenfalls Probleme mit Kostengutsprachen haben und dringend auf eine Hepatitis-C-Therapie angewiesen sind, so melden Sie uns Ihren Fall unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! Wir publizieren ihn hier.
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Kasse |
Patient/in |
Genotyp |
Medikament |
Begründung abschlägiger Bescheid |
Gemeldet von |
Datum |
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Mann, 42, koinfiziert |
3 |
Sovaldi/Ribavirin |
Limitatio sei nicht erfüllt |
Arzt/Ärztin |
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| Atupri II | Mann, monoinfiziert | 1b | Zepatier | Keine. 3-fache Ablehnung trotz erfüllter Limitatio | Arzt/Ärztin | 12.01.17 |
| Atupri III | Mann, 38 | 4 | Zepatier | Limitatio erfüllt (Fibroscan). Begründung der Ablehnung: “Kein Krankheitswert”. | Angehörige, Arzt/Ärztin | 03.02.17 |
| Atupri IV | Frau, 26 | 3a | Sofosbuvir und Daclatasvir | Limitatio erfüllt (Fibroscan). Begründung der Ablehnung: “Kein Krankheitswert”. |
Arzt/Ärztin | 03.02.17 |
| Atupri V | Mann | 1 | Harvoni | Begründung der Ablehnung: “Kein Krankheitswert”. |
Arzt/Ärztin | 09.03.17 |
| Atupri VI | Mann, 40 | 1a | Harvoni für 12 Wochen | Fibrosestadium F3. Begründung der Ablehnung: “Kein Krankheitswert”. |
Arzt/Ärztin | 14.03.17 |
| Atupri VII | Mann, 38 | 3a | Sofosbuvir und Daclatasvir für 12 Wochen | Fibrosestadium F2. Begründung der Ablehnung: “Kein Krankheitswert”. |
Arzt/Ärztin | 14.03.17 |
| Atupri VIII | Frau, 29 | 3a | Sofosbuvir und Daclatasvir für 12 Wochen | Fibrosestadium F2. Begründung der Ablehnung: “Kein Krankheitswert”. |
Arzt/Ärztin | 14.03.17 |
| Atupri IX | Mann, 39 | 4 | Zepatier für 12 Wochen | Fibrosestadium F3. Begründung der Ablehnung: “Kein Krankheitswert”. |
Arzt/Ärztin | 14.03.17 |
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Mann, 54, kofinfiziert |
3 |
Sovaldi in Kombination mit (kostenlosem) Daclatasvir |
Limitatio erfüllt. Doch in Kombi mit Daclatasvir verweigert (nur in Kombi mit Ribavirin, Verweis auf BAG) |
Arzt/Ärztin |
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Frau, 70 |
1a |
Sovaldi in Kombination mit (kostenlosem) Daclatasvir |
Limitatio erfüllt. Doch in Kombi mit Daclatasvir verweigert (nur in Kombi mit Ribavirin, Verweis auf BAG) |
Arzt/Ärztin |
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| CSS | Frau, 1964 | 3 | Daklinza/Sovaldi/Ribavirin für 12 Wochen oder alternativ Daklinza/Sovaldi für 24 Wochen | Verweigerung der Zugabe von Ribavirin oder einer längeren Therapie über 24 Wochen, obwohl dies die Guidelines bei Vorliegen einer Zirrhose empfehlen. | Arzt/Ärztin | |
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Frau, 64 |
Unbekannt |
Viekirax/Exviera |
Wird verweigert, da Art. 71 nicht erfüllt sei. |
Patientin |
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Mann, 58 |
4 |
Harvoni |
Verweigerung, da nicht für GT4 zugelassen |
Patient |
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Frau, 49, koinfiziert |
1a |
Harvoni |
Verweigerung ohne Begründung, obwohl Limitatio erfüllt ist |
Arzt/Ärztin |
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| Sanitas IV | Mann | 3, mit Leberzirrhose | Daklinza/Sovaldi/Ribavirin | Verweigerung der Zugabe von Ribavirin, obwohl dies die Guidelines bei Vorliegen einer Zirrhose empfehlen. | Arzt/Ärztin | |
| Swica I | Frau | 1 | Harvoni für 8 Wochen | Begründung der Ablehnung: Fatigue sei ein unspezifisches Symptom. | Arzt/Ärztin | 09.03.17 |
| Visana I | Mann | 1a | Harvoni /Ribavirin | Verweigerung der Therapie, die gemäss Behandlungsrichtlinien die wirksamste bei Vorliegen einer Zirrhose ist. | Arzt/Ärztin |
Atupri IX
Mann, Genotyp 4: Atupri verweigert Kostenübernahme einer Therapie trotz erfüllter Limitatio
Der Patient leidet an einer chronischen Hepatitis C, Fibrosestadium F3, gemessen am 27.9.16 und 13.12.16. Ablehnung Kostengutsprache: Es sei kein Krankheitswert im Sinne des KVG dokumentiert.
Der Fall wurde dem BAG gemeldet.
Atupri VIII
Frau, Genotyp 3a: Atupri verweigert Kostenübernahme einer Therapie trotz erfüllter Limitatio
Die Patientin leidet an einer chronischen Hepatitis C, Fibrosestadium F2. 2 Fibroscanwerte liegen vor. Ablehnung Kostengutsprache: Es sei kein Krankheitswert im Sinne des KVG dokumentiert.
Der Fall wurde dem BAG gemeldet.
Atupri VII
Mann, Genotyp 3a: Atupri verweigert Kostenübernahme einer Therapie trotz erfüllter Limitatio
Der Patient leidet an einer chronischen Hepatitis C, Fibrosestadium F2, gemessen am 16.6.16 und 3.11.16. Ablehnung Kostengutsprache: Es sei kein Krankheitswert im Sinne des KVG dokumentiert. Ablehnung des Widererwägungsgesuchs: Der Vertrauensarzt empfiehlt eine Ablehnung, da die Zweckmässigkeit nicht überprüft werden könne.
Der Fall wurde dem BAG gemeldet.
Atupri VI
Mann, Genotyp 1a: Atupri verweigert Kostenübernahme einer Therapie trotz erfüllter Limitatio
Der Patient leidet an einer chronischen Hepatitis C, Fibrosestadium F3, gemessen am 21.4.16 und 22.12.16. Ablehnung Kostengutsprache: Es sei kein Krankheitswert im Sinne des KVG dokumentiert.
Der Fall wurde dem BAG gemeldet.
Swica I
Frau, Genotyp 1: Swica verweigert Patientin die Therapie
Die Patientin leidet unter starker Müdigkeit. Mit dieser Begründung wird um eine Kostengutsprache bei Swica ersucht. Die Krankenkasse lehnt dies ab mit der Begründung, die Fatigue komme häufig in der Bevölkerung vor und könne nicht kausal einer Infektion zugeordnet werden.
Atupri V
Mann, Genotyp 1: Atupri verweigert Patient mit Leberzirrhose die Therapie
Der Patient hat eine Diagnose einer chronischen Hepatitis C mit Fibrosegrad 4, das heisst er leidet an einer Zirrhose. Der behandelnde Arzt stellt die erste Anfrage für eine Kostengutsprache am 9.5.16 und sendet am 20.6. 16 die Befunde der Untersuchungen an den Vertrauensarzt der Kasse.
Die erste Ablehnung durch Atupri erfolgt mit der Begründung, die Limitatio sei nicht erfüllt, da keine Beschwerden vorliegen würden.
Trotz Widererwägungsgesuch des Arztes und mehreren weiteren Schreiben, beharrt die Kasse auf ihrem Standpunkt. Dies obwohl der Arzt in der Korrespondenz darlegt, dass alle Voraussetzungen für die Übernahme des Medikaments aus der Grundversicherung erfüllt seien und eindringlich den prekären Zustand des Patienten beschreibt: Dieser habe ein stark erhöhtes Risiko für Wasserbauch, blutende Krampfadern und Leberkrebs. Der Arzt führt mehrmals aus, dass er eine solche Verweigerungshaltung bei einer Kasse noch nie erlebt habe.
Der Patient seinerseits hat eine einsprachefähige Verfügung verlangt. Atupri stellt sich in dieser auf den Standpunkt, dass trotz dem Fibrosestadium 4 keine behandlungsbedürftige Krankheit vorliege.
Der Arzt meldet den Fall dem BAG.
Die letzte Ablehnung datiert vom 23. Februar 2017. Der Patient ist nach wie vor unbehandelt.
Atupri IV
Frau, Genotyp 3a: Atupri verweigert Kostenübernahme einer Therapie trotz erfüllter Limitatio
Limitatio erfüllt (Fibroscan). Begründung der Ablehnung: “Kein Krankheitswert”.
Fazit: Die Krankenkasse verhält sich rechtswidrig.
Atupri III
Mann, Genotyp 4: Atupri verweigert Kostenübernahme einer Therapie trotz erfüllter Limitatio
Limitatio erfüllt (Fibroscan). Begründung der Ablehnung: “Kein Krankheitswert”.
Fazit: Die Krankenkasse verhält sich rechtswidrig. Wir sind mit der Kasse im Kontakt und erwägen weitere Schritte.
Atupri II
Mann, Genotyp 1b: Atupri verweigert Kostenübernahme einer Therapie trotz erfüllter Limitatio
Eigentlich braucht es in diesem Fall gar keine Kostengutsprache, denn der Patient erfüllt die Limitatio. Es wurde zweimal mit Fibroscan >7.5kPa gemessen (7.8 Februar 2016; 7.9 August 2016). Die Kasse hat die Kostenübernahme dreimal ohne weitere Begründung abgelehnt. 2 Telefongespräche mit dem vertrauensärzlichen Dienst waren wirkungslos. Der Patient forderte darauf eine einsprachefähige Verfügung.
Fazit: Das Vorgehen der Krankenkasse ist rechtswidrig. Der Arzt hat den Fall dem BAG gemeldet.
Visana I
Mann, Genotyp 1a: Visana verweigert Patienten mit Leberzirrhose die wirksame Therapie
Der Patient hat eine Genotyp 1a Infektion. Ein Untersuch der Leber zeigt das Fibrosestadium 4 an, also eine Leberzirrhose. Die Ärztin stellt den Antrag auf 12 Wochen Behandlung mit Harvoni und Ribavirin, wie es medizinisch angezeigt ist und wie es die schweizerischen Behandlungsrichtlinien empfehlen. Die Krankenkasse lehnt die medizinisch notwendige Behandlung ab und behauptet, Fibrosestadium 4 sei keine Zirrhose (was nicht stimmt). Der Vertrauensarzt, der den Entscheid gefällt hat, weigert sich, mit der Ärztin zu telefonieren.
Die Ärztin stellt nun einen Antrag für eine Behandlung mit nur Harvoni von 24 Wochen. Diese Behandlung kommt die Krankenkasse zwar teurer zu stehen. Sie wird aber bezahlen, da Harvoni für eine Behandlung von Patienten ab Fibrosestadium 2 für 24 Wochen vergütet werden muss.
Uns sind weitere solcher Fälle bekannt. Die Limitatio des BAG führt dazu, dass die wirksamste und in diesem Fall sogar günstigere Therapie dem Patienten verweigert wird.
Concordia I
Mann, 54, koinfiziert, Genotyp 3: Concordia lehnt trotz Lebensgefahr Kostengutsprache ab – Gilead will sich nicht beteiligen
Der Patient lebt seit 30 Jahren mit HIV. Diese Infektion wird seit vielen Jahren sehr erfolgreich behandelt. Der 54-Jährige nimmt seine Therapie vorbildlich und diszipliniert ein. Zusätzlich leidet der Patient an einer chronischen Hepatitis C, Genotyp 3. 2007 und 2011 wurden zwei Therapieversuche mit Interferon und Ribavirin unternommen, welche leider erfolglos waren. Im Verlauf der letzten Jahre haben sich eine Leberzirrhose sowie Speiseröhrenkrampfadern entwickelt.
Um zu überleben, braucht der Patient dringend eine Therapie. Weil es keine etablierten Alternativen gibt, stellt der Arzt einen Antrag an die Concordia. Er möchte den Patienten 24 Wochen lang mit Sovaldi plus Daclatasvir therapieren, da so die Chance auf Heilung am grössten ist. Das noch nicht zugelassene Daclatasvir ist in einem Early Access Programm kostenlos erhältlich.
Die Concordia behauptet, der Patient erfülle die Bedingungen der BAG-Limitation nicht und weigert sich, die Kosten für Sovaldi zum vollen Preise zu übernehmen. Die Versicherung macht abenteuerliche Berechnungen bezüglich Herstellkosten des Medikamentes aufgrund publizierter Konzernfinanzzahlen und erklärt sich bereit, maximal 30% des Listenpreises für Sovaldi zu vergüten. In ähnlichen Fällen finden die Krankenkassen oft eine Lösung mit der Herstellerfirma. In dieser Situation war Gilead nicht bereit, über den Preis zu verhandeln.
Die behandelnden Ärzte intervenieren erfolglos bei der Concordia. Der Rechtsdienst des zuständigen Spitals wurde eingeschaltet. Dieser hat die Krankenkasse aufgefordert ihren Entscheid nochmals zu erwägen. Die Pattsituation zwischen Concordia und Gilead wird auf dem Rücken des Patienten ausgetragen. Dieser wartet und fürchtet um sein Leben. Auch das Widererwägungsgesuch wurde inzwischen abgelehnt. Concordia begründet die Ablehnung insbesondere mit einer Mahnung des BAG vom November 2014 an die Krankenkassen, Sovaldi nur innerhalb der Limitatio zu vergüten. Der Patient wartet weiter.
«Ende gut, alles gut? Die erste Anfrage für eine Kostengutsprache ist im November 14 erfolgt. Im April 15 schliesslich haben sich Gilead und Concordia über die Abgabe von Sovaldi geeinigt: Der Patient kann nun nach 6 Monaten endlich behandelt werden.»
N.B.: Die Concordia hat ihre Haltung geändert und unterstützt die Hepatitis-C Strategie.
CSS I:
Verweigerung der optimalen Therapie bei Vorliegen einer Leberzirrhose
Die Patientin hat eine Leberzirrhose. Eine Interferonbehandlung wurde wegen Nebenwirkungen vor Jahren abgebrochen. Der Arzt gibt eine Kostengutsprache für Daklinza/Sovaldi/Ribavirin für 12 Wochen oder alternativ Daklinza/Sovaldi für 24 Wochen ein. Diese Therapie ist gemäss Studien die wirksamste und wird von den Guidelines empfohlen. 12 Wochen plus Ribavirin oder alternativ ohne Ribavirin dafür über 24 Wochen behandeln zeigen einen deutlichen Benefit gegenüber einer nur 12-wöchigen Behandlung mit Daklinza/Sovaldi.
Das Gesuch wird abgelehnt und nur 12 Wochen Daklinza/Sovaldi übernommen.
In einem Telefonat mit der Kasse gibt die verantwortliche Person zu, dass sie den Fall gar nicht mit dem Vertrauensarzt rückgesprochen, sondern aufgrund Algorithmen entschieden hat. Sie sagt im gleichen Telefonat, die vom Arzt mitgelieferten Studien seien nicht evidenzbasiert.
Wie im Fall Sanitas IV werden so von Seiten Krankenkassen ein Therapieversagen, Resistenzbildung und noch teurere Re-Therapien in Kauf genommen. Nicht zuletzt wird das Ganze also auf dem Rücken leidender und sterbender Patienten ausgetragen.
Sanitas I
Frau, 64, mit einem Lymphom: Sanitas lehnt Kostengutsprache für interferonfreie Therapie ab
Die Patientin wurde vor circa 30 Jahren mit Hepatitis C angesteckt. Die Erkrankung wurde erst kürzlich diagnostiziert. Frau T. leidet an einem Lymphom, das wahrscheinlich durch ihre chronische Hepatitis C ausgelöst wurde. Sie wehrt sich gegen eine Behandlung mit Sovaldi/Interferon/Ribavirin, da ihr Immunsystem bereits geschwächt ist und bei einem Lymphom Interferon und Ribavirin nicht verschrieben werden sollten.
Ihr Arzt beantragt eine Kostengutsprache für die interferonfreie Therapie Viekirax und Exviera bei Sanitas. Er beruft sich auf den Artikel 71b des KVV (Vergütung von Medikamenten ausserhalb der Spezialitätenliste), da diese Medikamente die Zulassung für die Schweiz noch nicht erhalten haben.
Sanitas lehnte die Kostengutsprache für die interferonfreie Therapie mit einem Standardbrief ab und verweist auf die Auskunft des Vertrauensarztes, dass andere Therapien verfügbar wären. Damit war wohl die Kombination Sovaldi/Interferon/Ribavirin gemeint, welche nicht verschrieben werden sollte und 24 Wochen dauert.
Dank des Einsatzes ihres Arztes erhält die schwer kranke Frau nun Viekirax und Exviera über ein Early-Acess-Programm der Herstellerfirma Abbvie, das die Medikamente für Härtefälle kostenfrei zur Verfügung stellt. Diese Therapie dauert voraussichtlich 12 Wochen. Die Frau hofft, bald von Hepatitis geheilt zu sein, damit sie endlich ihre Krebserkrankung behandeln lassen kann.
Atupri I
Mann, 42, koinfiziert: Die Krankenkasse Atupri will à tout prix nicht bezahlen: Trotz erfüllter Limitatio wird die Behandlung Sovaldi/Ribavirin abgelehnt.
Der Patient ist koinfiziert (HIV und Hepatitis C). Seit 1999 wird die HIV-Infektion des 42-Jährigen behandelt. Diese ist dank der regelmässigen Medikamenteneinnahme gut kontrolliert. Dazu kommt eine chronische Hepatitis C, Genotyp 3, mit einer fortgeschrittenen Leberzirrhose. Der Patient erfüllt alle Kriterien für eine Behandlung mit der neuesten Generation der Hepatitis-C-Medikamente.
Die Ärztin gibt die Therapie Sovaldi in Kombination mit Ribavirin für 24 Wochen bei Atupri, der Krankenkasse des Patienten ein. Gut zwei Wochen später hält sie überraschend einen Ablehnungsbescheid in den Händen. Die Ablehnung durch den Vertrauensarzt wird damit begründet, dass die Limitatio nicht erfüllt sei. Was nachweislich aufgrund der Leberwerte des Patienten nicht stimmt.
Auch ein Telefongespräch mit der Krankenkasse bringt keine Klärung. Diese verweist auf den Entscheid des Vertrauensarztes der Kasse. Die Ärztin will keinesfalls aufgeben. Der Patient braucht die Medikamente dringend. Sie überlegt sich nun, an die Aufsichtsbehörde des BAG zu gelangen.
Dem Positivrat ist ein weiterer, ähnlich gelagerter Fall bei Atupri bekannt.
Sanitas II
Mann, 58, Genotyp 4: Ablehnung Antrag Harvoni Obwohl Harvoni die bessere Therapie wäre und halb so teuer, wie die bewilligte Sovaldi/Ribavirin-Therapie, wird ein Antrag auf Kostengutsprache von der Krankenkasse abgelehnt.
Der 58-jährige Patient leidet an einer chronischen Hepatitis C vom Genotyp 4, Fibrosestadium 3. Er hat schon eine Therapie mit Interferon und Ribavirin hinter sich, auf die sein Körper nicht ansprach. Seine Leber ist soweit geschädigt, dass er nicht unter die BAG-Limitatio fällt und eine Therapie mit Sovaldi möglich wäre.
Allerdings muss Sovaldi mit Ribavirin kombiniert werden. Der Patient hat jedoch die damalige gescheiterte Therapie sehr negativ in Erinnerung und will keinesfalls nochmals diese schweren Nebenwirkungen auf sich nehmen. Eine Ribavirin-freie Therapie mit Harvoni (Sovaldi und Lepasvir) ist seit 1. Februar in der Schweiz zugelassen, allerdings nur für Genotyp 1. Für Harvoni liegen Studiendaten vor, dass es auch für Genotyp 4 hochwirksam ist.
Sein Arzt beantragt eine Kostengutsprache bei Sanitas, der Krankenkasse des Patienten. Mit Verweis auf die nicht erfolgte Deckung durch die Grundversicherung wird der Antrag von Sanitas abgelehnt. Auch ein Widererwägungsgesuch, das stringent aufzeigt, dass Harvoni die wirksamere Therapie und halb so teuer wäre, wie die Sovaldi/Ribavirin, wird abgelehnt. Begründet wird die Ablehnung mit der BAG-Limitatio. Zudem behauptet Sanitas, dass die wissenschaftliche Datenlage zu spärlich sie und kein grosser therapeutischer Nutzen gegeben sei.
Dieser Fall zeigt, dass die Limitatio und die zögerliche Zulassung der neuen Therapien nicht im Sinne des Prämienzahlers sind.
Concordia II
Frau, 70, Genotyp 1a: der zweite Fall einer Verweigerung von Sovaldi in Kombination mit (kostenlosem) Daclatasvir
Die 70-jährige Frau suchte erstmals im November 2014 medizinische Hilfe, da sie unter einem Ausschlag an den Extremitäten (im Rahmen einer Vaskulitus/Gefässentzündung), Gelenksentzündungen (einer Polyarthritis) und Augentrockenheit litt. Es wurde eine chronische Hepatitis C, Genotyp 1a diagnostiziert. Die Beschwerden sind sogenannte extrahepatische Manifestationen, hervorgerufen durch das Hepatitis-C-Virus. Der Zustand der Patientin verschlimmerte sich rapide. Es wurde eine hochdosierte Steroidtherapie eingeleitet. Um längerfristig den Zustand der Patientin zu stabilisieren, braucht es dringend eine Behandlung der Grunderkrankung Hepatitis C.
Die behandelnde Ärztin hat deshalb im Dezember 2014 in einem Early-Access-Programm bei der Firma BMS einen Antrag auf das Medikament Daclatasvir gestellt. Zu dem Zeitpunkt war noch nicht absehbar, wann die neuen Therapien auf den Markt kommen würden. Die Firma hat das Medikament bewilligt und war bereit, es kostenlos abzugeben. Mitte Februar 2015 wurde mit der Therapie Daclatasvir und Sovaldi begonnen; kurz vor Therapiestart hat die Ärztin die Krankenkasse Concordia über den Start informiert.
Wegen der extrahepatischen Manifestationen hat die Patientin Anrecht auf eine Vergütung von Sovaldi durch ihre Kasse. Die Ärztin hat aber mittlerweile den dritten Brief mit Ablehnung der Übernahme von Sovaldi erhalten. Begründet wird die Ablehnung damit, dass andere Therapien vorlägen und Daclatasvir nicht auf der Spezialitätenliste gelistet ist. Die Ärztin hat die Krankenkasse darauf hingewiesen, dass der Therapiebeginn wegen des Gesundheitszustands der Patientin nicht aufgeschoben werden durfte. Zudem wurde erst Ende Januar bekannt, dass die neuen Medikamente am 1. Februar 2015 zugelassen werden, also noch vor Antragstellung. Nach Beginn die Therapie zu wechseln ist wegen der psychischen Belastung für die Patientin untragbar. Zudem wären die Kosten für die zugelassene Therapie einiges höher.
Nach mehreren Briefwechseln und Telefonaten, die sich über Monate hinzogen, hat die Concordia schliesslich auch in diesem Fall das Medikament für die schwer kranke Frau bewilligt.
N.B.: Die Concordia hat ihre Haltung geändert und unterstützt die Hepatitis-C Strategie.
Sanitas III
Patientin, 49, koinfiziert: Trotz Erfüllung der Limitatio wird Harvoni verweigert
Die HCV-Infektion der Patientin mit einem Genotyp 1a ist seit über 10 Jahren bekannt. Die Leber ist inzwischen soweit geschädigt, dass eine Behandlung dringend nötig ist. Der Fibroscan-Nachweis, 2 Mal Fibroscan über 9.5kPa (11.8, 10.3), hat gezeigt, dass die Limitatio erfüllt ist.
Der behandelnde Arzt reicht eine Kostengutsprache für Harvoni ein. Diese wird von Sanitas ohne Angabe von Gründen abgelehnt. Auf telefonische Nachfrage teilt eine Sachbearbeiterin dem Arzt mit, der Vertrauensarzt habe gesagt, es sei eine leichte Hepatitis ohne Behandlungsindikation. Was nachweislich nicht stimmt.
Der Arzt hat nochmals an die Krankenkasse geschrieben und die Limitatio aufgelistet. Er hat die Kasse ebenfalls darauf hingewiesen, dass er sich bei einem abschlägigen Bescheid ans BAG wenden wird.
Sanitas hat auf das Protestschreiben des Arztes die Kostengutsprache für Harvoni für 12 Wochen erteilt.
Sanitas IV
Durch die Verweigerung der wirksamsten Therapie durch seine Krankenkasse riskiert der Patient ein Therapieversagen
Der Patient mit einer Hepatitis C mit Genotyp 3 hat eine Leberzirrhose. Somit ist die Limitatio für die Therapie mit Daklinza plus Sovaldi erfüllt. Gemäss Guidelines und Studien ist die Zugabe von Ribavirin zu Daklinza/Sovaldi notwendig und mit deutlich höheren Heilungsraten verbunden. Alternativ könnte die Therapie Daklinza/Sovaldi auf 24 Wochen verlängert werden.
Auch auf wiederholten Antrag hin weigert sich die Sanitas und ihr Vertrauensarzt, die Kosten für Ribavirin (1500.- Franken) zu übernehmen, obwohl die im Vergleich zu den Gesamtkosten (72‘000.- Franken) marginal sind. Dies obwohl der zuständige Arzt mit Blick auf die Kosten nur eine 12-wöchige Therapie beantragt hat statt die 24-wöchige Therapie mit Daklinza/Sovaldi. Somit geht die Krankenkasse das Risiko eines Therapieversagens wegen der suboptimalen ein. Es können sich in der Folge Resistenzen entwickeln und eine um einiges teurere Re-Therapie könnte notwendig werden.
Das Bundesamt für Gesundheit BAG publiziert ein wöchentliches Bulletin für medizinische Fachpersonen und Medienschaffende. Die Ausgabe vom 14. November 1 kommt mit einem neuen, besser lesbaren Layout. Sie widmet sich ganz der Epidemiologie von HIV und anderer sexuell übertragbarer Krankheiten.
Was wir da lesen, gefällt uns gar nicht. Auf Seite 14 findet sich eine Abbildung mit den HIV-Labormeldungen nach Geschlecht und Testjahr, 1985-2015. Das sieht noch ganz gut aus. Auf Seite 20, Abbildung 5 kommt der dicke Fisch. Diese Grafik zeigt frische und ältere HIV-Infektionen für MSM, heterosexuelle Männer und heterosexuelle Frauen. Bei neuen Diagnosen schaut man in der Schweiz gut hin: handelt es sich um eine ältere oder eine frische Infektion? Das hilft der Interpretation der Daten.
Es zeigt sich, dass bei den MSM die frischen Infektionen seit 2013 von 100 auf über 150 angestiegen sind. Das sind 50% mehr frische Infektionen! Im Begleittext unter dem Titel „Fazit“ folgt ein geradezu frivoler Kommentar: „Bei MSM wurden häufiger frische Infektionen diagnostiziert als bei Personen mit heterosexuellem Ansteckungsweg. Die Zahl dieser Fälle hat seit dem Jahr 2014 zugenommen. Dies könnte teilweise auf eine Zunahme von HIV-Tests in dieser Gruppe zurückzuführen sein, doch ist eine Zunahme der Neuinfektionen nicht ausgeschlossen.“
Liebes Bundesamt, diese Interpretation ist nicht haltbar. Wir erwarten eine Stellungnahme der Eidgenössischen Kommission für Sexuelle Gesundheit EKSG!
In der Schweiz ist für Menschen aus Subsahara Afrika die eigene Community ein wichtiges soziales Netzwerk, das sie in vielfacher Weise unterstützt. Die Angst davor, wegen HIV in der eigenen Community diskriminiert und stigmatisiert zu werden, ist darum besonders gross. Viele verheimlichen ihre HIV-Infektion vor ihren Landsleuten und sind darum auf die Diskretion von Fachleuten beispielsweise in der Asylbetreuung oder im Sozialbereich angewiesen. Eine «Erklärung zur Schweigepflicht» soll dazu beitragen, die Bedeutung dieser Schweigepflicht im Zusammenhang mit HIV nochmals aufzuzeigen.
Der Positivrat hat mit seinem Migrationsprojekt im Bereich HIV-Therapie von Menschen aus Subsahara Afrika Probleme analysiert und dazu Lösungsvorschläge generiert. Viele von ihnen leben mit grossen Ängsten davor, wegen HIV stigmatisiert und diskriminiert zu werden. Als Lösungsvorschlag hat der Positivrat eine «Erklärung zur beruflichen Schweigepflicht» als einfaches Instrument erarbeitet. Sie wurde für Fachleute konzipiert, die im beruflichen Kontext mit HIV-positiven Menschen aus Subsahara Afrika arbeiten. Ziel der Erklärung ist es, Personen, die in der Pflege, in der Sozialen Arbeit oder im Asylwesen arbeiten, für die spezifischen Ängste von Menschen mit HIV zu sensibilisieren. Eine HIV-Infektion und deren Behandlung gehören zu den besonders schützenswerten Personendaten und stehen in der Schweiz unter beruflicher Schweigepflicht.
Bei Menschen mit HIV aus Subsahara Afrika ist die Angst davor, von ihren eigenen Landsleuten wegen HIV diskriminiert und stigmatisiert zu werden, besonders stark ausgeprägt. Selbst harmlose Hinweise zur täglichen Medikamenteneinnahme in einem Asylzentrum können darum im Erleben einer betroffenen Person intensive Ängste auslösen, von Landsleuten als HIV-positiv erkannt zu werden. Von solchen „Versprechern“ wird immer wieder berichtet und Betroffene fühlen sich solchen Situationen hilflos ausgeliefert.
Die Schweigepflichterklärung eröffnet HIV-Fachleuten die Möglichkeit, die berufliche Schweigepflicht in Bezug auf HIV zu thematisieren und aufzuzeigen, welche Konsequenzen ein Verstoss dagegen für die Betroffenen haben kann. Gerade weil sie fern von ihrer Heimat nicht auf ihre vertrauten sozialen Netzwerke zurückgreifen können, sind für Menschen aus Subsahara Afrika bestehende Diaspora-Netzwerke von grosser Bedeutung und eine wichtige soziale Ressource. Das Risiko, ihr persönliches Umfeld und damit ihre zentrale soziale Unterstützung zu verlieren, löst bei ihnen grosse Ängste aus. Darum versuchen sie mit allen Mitteln zu verhindern, dass andere Personen aus ihrem Land von ihrer HIV-Infektion erfahren und diese Information in der Community weitererzählen oder über Facebook weiter verbreiten. Darum ist es für die Betroffenen zentral, dass die berufliche Schweigepflicht in Bezug auf ihre HIV-Infektion und die dafür notwendigen Medikamente zuverlässig gegenüber allen Personen gewahrt wird.
Romy Mathys / November 2016
Am 25. November fand in Bern die erste Weiterbildung inklusive Webinar des neugegründeten Vereins EUPATI CH statt. Aus Anlass des Welt-Aids-Tags wurden für den ersten Weiterbildungsanlass die Themen HIV und Hepatitis C gewählt. Die europäische Patientenakademie EUPATI will mit ihren Länderplattformen Patienten und Patientenorganisationen ermöglichen, sich über neue Therapien zu informieren und sich aktiver in die Arzneimittelforschung und –entwicklung einzubringen.
Für Patienten ist es schwierig, die Entwicklung von Arzneimitteln und ihre zahlreichen rechtlichen und ethischen Regulierungen zu durchschauen. Zudem ist es auch schwer, als Patientin oder Patient an verständliche Informationen zu neuen Therapieoptionen zu kommen oder die nötigen Informationen zu klinischen Studien rechtzeitig in verständlicher Form zu erhalten. 1 EUPATI CH will dies ändern und Patienten zu gut informierten Fürsprechern und Beratern ausbilden, damit ihre Stimme in der Arzneimittelforschung und –entwicklung gestärkt wird. 2
Der erste Schweizer Anlass wurde im Haus der Universität durchgeführt und gleichzeitig als Webinar übertragen. David Haerry gab einen interessanten Rückblick auf die Entwicklungen der ART und zeigte die Erfolgsgeschichte der HIV-Behandlung seit 1996 auf. Gleichzeitig legte er aber auch die Finger auf die wunden Punkte bei den aktuellen Therapien und wies auf die aktuellen Brennpunkte der Forschung hin. Faszinierend sein Ausblick auf künftig zu verfolgende Therapieregimes, wie Erhaltungstherapien mit zwei Komponenten oder die Depotformulierungen, die derzeit mit Tieren getestet werden. Anschliessend referierte PD Dr. med. Nasser Semmo, Leitender Arzt Hepatologie am Inselspital Bern, über die neuen Behandlungsmethoden von Hepatitis C. Dabei verglich er die unterschiedlichen Strategien der Gesundheitssysteme verschiedener Länder und wies auf das Erfolgsmodell Australien hin. Die Schweiz Hepatitis Strategie ist ein Verbund von rund 80 Fachorganisationen und Netzwerkpartnern. Bei Hepatitis C sind die grossen Herausforderungen die Prävention, die Diagnose (fast die Hälfte der Betroffenen weiss nichts von ihrer Infektion) sowie der Zugang zur Behandlung.
In einer engagierten Diskussion zwischen den beiden Experten und dem Patientenvertreter Oliver Wehrli von der Schweizerischen Hepatitis C Vereinigung (SHCV) stand im Zentrum, wie die Stimme der Patienten gestärkt werden kann. Oliver Wehrli wies vehement auf den unhaltbaren Zustand hin, dass Hepatitis C Patienten in der Schweiz die bestmögliche Behandlung und damit häufig auch eine Heilung verweigert wird.
Dieser Weiterbildungsanlass stellte den Beginn der Aktivitäten des Vereins EUPATI CH dar, im Jahr 2017 wird der Verein weitere Anlässe zu spannenden Themen veranstalten. EUPATI arbeitet mit der Industrie zusammen, welche Einsitz nehmen kann in ein Advisory Board. Der HIV-Teil der Veranstaltung wurde denn auch von ViiV Healthcare grosszügig unterstützt.
Link zum Webinar: https://www.youtube.com/watch?v=-eqmpAln2sM
Hansruedi Völkle / November 2016
1 http://www.patientsacademy.eu/index.php/de/about-eupati/4-eupati-im-ueberblick
2 http://www.patientsacademy.eu/index.php/de/about-eupati
Das System der Schweizerischen Krankenversicherung ist komplex und wirft vor allem bei Personen, die neu aus dem Ausland in die Schweiz ziehen, zahlreiche Fragen auf. Im folgenden sind die wichtigsten Punkte aufgeführt, die es zu berücksichtigen gilt.
Wer seinen Arbeitsort und/oder Wohnsitz in die Schweiz verlegt, muss sich innerhalb von drei Monaten bei einer Krankenkasse nach Krankenversicherungsgesetz (KVG) versichern lassen. Die Krankenkasse nach KVG (so genannte Grundversicherung) kann frei gewählt werden, und diese ist verpflichtet, alle Personen unabhängig von Alter und Gesundheitszustand ohne Einschränkungen zu versichern, also auch Menschen mit HIV. Die Krankenkasse darf nicht nach HIV oder anderen Diagnosen fragen und man muss diese vor Vertragsschluss auch nicht bekannt geben.
Andere Regeln gelten für die freiwilligen Zusatzversicherungen. Diese unterstehen dem privatrechtlichen Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG). Bei der Aufnahme in Zusatzversicherungen dürfen die Versicherer Risikoprüfungen in Form von Gesundheitsfragen vornehmen. Menschen mit HIV wie auch mit anderen vorbestehenden Krankheiten und ältere Menschen werden nicht aufgenommen. Die Zusatzversicherungen bieten gewisse Vorteile wie z.B. Einzelzimmer bei Krankenhausaufenthalt, Beitrag ans Fitnessabo, etc. ABER: Alle in Zusammenhang mit der HIV-Infektion stehenden notwendigen Medikamente und Behandlungen werden von der obligatorischen Krankenversicherung übernommen. Insbesondere sind dies:
Selbstbeteiligung (Franchise, Selbstbehalt)
Entstehen Kosten für Arzt, Spital oder Medikamente, müssen die Versicherten zuerst selber gewisse Kosten übernehmen, einerseits im Rahmen der Franchise, andererseits im Rahmen des Selbstbehalts. Die ordentliche gesetzliche Franchise beträgt CHF 300 pro Kalenderjahr (Stand 2016), sie kann jedoch von den Versicherten freiwillig erhöht werden, damit sie in den Genuss von Prämienrabatten kommen. Eine Erhöhung der Franchise empfiehlt sich nicht, wenn jemand die antiretrovirale Therapie nimmt oder wenn regelmässig Laboruntersuchungen zur Überwachung des Verlaufs der HIV-Infektion gemacht werden.
Erst ab dem Zeitpunkt, in welchem die Krankheitskosten die Franchise übersteigen, beteiligt sich die Krankenkasse an den weiteren Kosten, abzüglich des Selbstbehalts. Der Selbstbehalt ist derjenige Betrag, den der Versicherte bei Leistungsbeanspruchung selbst tragen muss. Dies sind in der Regel 10% bis zu einem jährlichen Maximum von CHF 700. Pro Jahr muss man also max. CHF 1’000 plus die monatlichen Krankenkassenprämien selbst zahlen. Einen Überblick über die schweizerischen Krankenkassen (inkl. Prämienvergleich) verschafft www.priminfo.ch. Über die dort vorhandenen Links kann man bei den einzelnen Versicherungsgesellschaften online eine Offerte anfordern.
Zwei Vergütungsprinzipien
Bei einigen Krankenkassen müssen Medikamente zunächst selber bezahlt werden und dann die Quittung zur Rückforderung des Betrags an die Krankenkasse geschickt werden (sog. Tiers-Garant-Prinzip). Bei hohen Beträgen (z.B. HIV-Medikamenten) kann es für manche Leute schwierig sein, diese Kosten zu bevorschussen. Erkundigen Sie sich vor dem Abschluss bei der entsprechenden Krankenkasse, ob die Medikamente direkt zwischen Apotheke und Krankenversicherung abgerechnet werden können (sog. Tiers-Payant-Prinzip).
Verschiedene Modelle mit Sparmöglichkeiten
Neben der Versicherung mit ordentlicher Franchise und wählbaren Franchisen bieten die Krankenkassen verschiedene Modelle mit Sparmöglichkeiten an, z.B. das Hausarztmodell; hier muss vor dem Besuch eines Spezialisten (z.B. HIV-Spezialist) immer erst der Hausarzt aufgesucht werden. Wer als Hausarzt gilt, kann auf der Liste der entsprechenden Krankenkasse eingesehen werden. Beim HMO-Modell müssen Gesundheitszentren aufgesucht, beim Telmed-Modell zunächst Ärzte der Krankenkasse angerufen werden. Wer ein solches Modell in Erwägung zieht, sollte sich vor dem Abschluss bei der entsprechenden Krankenkasse erkundigen, was dies genau für die Behandlung der HIV-Infektion oder anderer bestehender chronischer Krankheiten bedeutet. Allenfalls ist auch eine Dauerüberweisung an einen HIV- oder anderen Spezialisten möglich.
Prämienverbilligung
Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen erhalten Beiträge zur Verbilligung der Prämien in der obligatorischen Krankenversicherung. Die bescheidenen finanziellen Verhältnisse bestimmen sich aufgrund der finanziellen, der persönlichen und der familiären Situation. Informationen hierzu erteilen die Wohngemeinden.
Weitere Informationen
Kostenlose Rechtsberatung
Für rechtliche Fragen in Zusammenhang mit HIV steht das Rechtsberatungsteam der Aids-Hilfe Schweiz telefonisch und schriftlich am Dienstag und Donnerstag von 9-12h und 14-16h kostenlos zur Verfügung, unter Tel. 044 447 11 11 oder E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
Merkblatt Einreise und Aufenthalt in der Schweiz
Caroline Suter, Aids-Hilfe Schweiz / November 2016
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