Menschen mit HIV haben heute meist eine recht gute Lebensqualität und ihre Lebenserwartung hat sich dank den hoch wirksamen Therapien praktisch derjenigen der Allgemeinbevölkerung angeglichen. Die erfreuliche Entwicklung, dass Menschen mit HIV älter werden, bringt auch neue Herausforrderungen mit sich. Mit dem Älterwerden treten - nebst den üblichen altersbedingten Beschwerden - auch Langzeitnebenwirkungen der Medikamente oder Langzeitfolgen der HIV-Infektion auf. Probleme können auftreten, wenn der Zeitpunkt kommt, an dem sie Hilfe oder Pflege in Anspruch nehmen müssen, sei dies zu Hause durch Partner, Verwandte, Freunde, durch einen ambulanten Pflegedienst wie Spitex oder gar in der stationären Pflege in einem Spital, einem Alters- oder Pflegeheim.
Die Schweizer Schwulenorganisation PINK CROSS hat kürzlich in Zusammenarbeit mit LOS und den Fachhochschulen Bern und Luzern eine Sensibilisierungsstudie unter dem Titel: «LGBTI- und HIV+/aidskranke Menschen in Alters- und Pflegestrukturen»1 durchgeführt.
Die Untersuchung erfasst die Pflege bei zwei Personengruppen, die zwar eine gemeinsame Schnittmenge haben, sich aber bezüglich ihrer Ansprüche und Bedürfnisse unterscheiden. Nämlich auf der einen Seite die LGBTI, die heute etwas selbstbewusster auftretende Gruppe von Personen, die sich in ihrer Genderidentität vom Mainstream unterscheiden (etwa 5 bis 10 Prozent der Bevölkerung). Auf der anderen Seite Menschen, die mit einer HIV-Infektion leben. Von diesen sind die meisten heute in antiretroviraler Behandlung und haben somit eine nicht mehr nachweisbare Viruslast, was heisst, dass sie nicht mehr ansteckend sind. Die Zahl der Menschen mit der lebensbedrohenden Krankheit Aids ist heute glücklicherweise klein und wurde in der Studie nicht einbezogen.
Die Studie kommt zum Schluss, dass immer noch nicht sichergestellt ist, dass jeder LGBTI- oder HIV-positive Mensch in einer Alters- und Pflegeeinrichtung voll akzeptiert wird. Die wichtigsten Folgerungen sind:
Leider sind bei medizinischen Fachleuten teilweise immer noch irrationale Ängste vorhanden rund um ältere Menschen mit HIV in der Pflege. Noch zu wenig bekannt ist, dass bei funktionierender antiretroviralen Therapie mit nicht nachweisbarer Viruslast kein Infektionsrisiko mehr besteht, weder für die Pflegenden noch für die Mitpatienten. Besondere Hygienemassnahmen sind nicht erforderlich; sie werden von den Betroffenen als diskriminierend empfunden.
Die Pflege älterer Patienten umschliesst heute auch Menschen mit HIV. Das Pflegepersonal muss sich deshalb mit den Krankheitsbildern auseinandersetzten und es muss wissen, dass eine HIV-Infektion – oder die Medikamente – den Alterungsprozess möglicherweise beschleunigen (Arthrose, Osteoporose, Herz-Kreislauf-Beschwerden, psychische und psychosomatische Störungen, etc.). Gerade bei älteren Patienten mit HIV ist die Adhärenz wichtig. Die Pflegenden müssen besonders bei Patienten mit hirnorganischen Störungen hierauf achten.
Auch das psychosoziale Umfeld muss beachtet werden: Häufig kommt es auch von Seite der Mitpatienten bzw. -bewohner zu Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit HIV, da dieser Themenkreis immer noch weitgehend tabuisiert ist.
Schliesslich seien noch die Persönlichkeitsrechte der HIV-Infizierten erwähnt. Niemand ist verpflichtet, eine HIV-Infektion offenzulegen. Und das Pflegepersonal – falls es davon Kenntnis hat – muss damit verantwortungsvoll und diskret umgehen.
Ein gewisses Minimum an Informationen über den Umgang mit Menschen mit HIV sowie mit älteren LGBTI und deren Erwartungen und Bedürfnisse sollte auch in den Ausbildungskursen Eingang finden. Die Themenbereiche LGBTI und HIV/Aids müssen zudem in den Leitbildern der Pflegeinstitutionen besser verankert werden und das Pflegepersonal muss hierfür sensibilisiert werden.
PINK CROSS und LOS planen, die Studie weiterzuführen und um die Perspektive der Betroffenen selbst zu erweitern.
Hansruedi Völkle / März 2017
1 Siehe : http://www.pinkcross.ch/lebenswelten/sensibilitaet-fuer-lgbti-im-alter
Die Limitatio, die das BAG für die neuen, hochwirksamen Hepatitis-C-Medikamente verfügt hat, schränkt den Zugang zu den Medikamenten – und damit die Chance auf Heilung für Patientinnen und Patienten – drastisch ein. Sie führt auch immer wieder zu Problemen mit Krankenkassen, welche die Kostengutsprachen unterschiedlich und zum Teil sehr restriktiv handhaben. Wir dokumentieren hier besonders stossende Fälle.
Wenn Sie ebenfalls Probleme mit Kostengutsprachen haben und dringend auf eine Hepatitis-C-Therapie angewiesen sind, so melden Sie uns Ihren Fall unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! Wir publizieren ihn hier.
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Kasse |
Patient/in |
Genotyp |
Medikament |
Begründung abschlägiger Bescheid |
Gemeldet von |
Datum |
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Mann, 42, koinfiziert |
3 |
Sovaldi/Ribavirin |
Limitatio sei nicht erfüllt |
Arzt/Ärztin |
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| Atupri II | Mann, monoinfiziert | 1b | Zepatier | Keine. 3-fache Ablehnung trotz erfüllter Limitatio | Arzt/Ärztin | 12.01.17 |
| Atupri III | Mann, 38 | 4 | Zepatier | Limitatio erfüllt (Fibroscan). Begründung der Ablehnung: “Kein Krankheitswert”. | Angehörige, Arzt/Ärztin | 03.02.17 |
| Atupri IV | Frau, 26 | 3a | Sofosbuvir und Daclatasvir | Limitatio erfüllt (Fibroscan). Begründung der Ablehnung: “Kein Krankheitswert”. |
Arzt/Ärztin | 03.02.17 |
| Atupri V | Mann | 1 | Harvoni | Begründung der Ablehnung: “Kein Krankheitswert”. |
Arzt/Ärztin | 09.03.17 |
| Atupri VI | Mann, 40 | 1a | Harvoni für 12 Wochen | Fibrosestadium F3. Begründung der Ablehnung: “Kein Krankheitswert”. |
Arzt/Ärztin | 14.03.17 |
| Atupri VII | Mann, 38 | 3a | Sofosbuvir und Daclatasvir für 12 Wochen | Fibrosestadium F2. Begründung der Ablehnung: “Kein Krankheitswert”. |
Arzt/Ärztin | 14.03.17 |
| Atupri VIII | Frau, 29 | 3a | Sofosbuvir und Daclatasvir für 12 Wochen | Fibrosestadium F2. Begründung der Ablehnung: “Kein Krankheitswert”. |
Arzt/Ärztin | 14.03.17 |
| Atupri IX | Mann, 39 | 4 | Zepatier für 12 Wochen | Fibrosestadium F3. Begründung der Ablehnung: “Kein Krankheitswert”. |
Arzt/Ärztin | 14.03.17 |
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Mann, 54, kofinfiziert |
3 |
Sovaldi in Kombination mit (kostenlosem) Daclatasvir |
Limitatio erfüllt. Doch in Kombi mit Daclatasvir verweigert (nur in Kombi mit Ribavirin, Verweis auf BAG) |
Arzt/Ärztin |
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Frau, 70 |
1a |
Sovaldi in Kombination mit (kostenlosem) Daclatasvir |
Limitatio erfüllt. Doch in Kombi mit Daclatasvir verweigert (nur in Kombi mit Ribavirin, Verweis auf BAG) |
Arzt/Ärztin |
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| CSS | Frau, 1964 | 3 | Daklinza/Sovaldi/Ribavirin für 12 Wochen oder alternativ Daklinza/Sovaldi für 24 Wochen | Verweigerung der Zugabe von Ribavirin oder einer längeren Therapie über 24 Wochen, obwohl dies die Guidelines bei Vorliegen einer Zirrhose empfehlen. | Arzt/Ärztin | |
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Frau, 64 |
Unbekannt |
Viekirax/Exviera |
Wird verweigert, da Art. 71 nicht erfüllt sei. |
Patientin |
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Mann, 58 |
4 |
Harvoni |
Verweigerung, da nicht für GT4 zugelassen |
Patient |
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Frau, 49, koinfiziert |
1a |
Harvoni |
Verweigerung ohne Begründung, obwohl Limitatio erfüllt ist |
Arzt/Ärztin |
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| Sanitas IV | Mann | 3, mit Leberzirrhose | Daklinza/Sovaldi/Ribavirin | Verweigerung der Zugabe von Ribavirin, obwohl dies die Guidelines bei Vorliegen einer Zirrhose empfehlen. | Arzt/Ärztin | |
| Swica I | Frau | 1 | Harvoni für 8 Wochen | Begründung der Ablehnung: Fatigue sei ein unspezifisches Symptom. | Arzt/Ärztin | 09.03.17 |
| Visana I | Mann | 1a | Harvoni /Ribavirin | Verweigerung der Therapie, die gemäss Behandlungsrichtlinien die wirksamste bei Vorliegen einer Zirrhose ist. | Arzt/Ärztin |
Atupri IX
Mann, Genotyp 4: Atupri verweigert Kostenübernahme einer Therapie trotz erfüllter Limitatio
Der Patient leidet an einer chronischen Hepatitis C, Fibrosestadium F3, gemessen am 27.9.16 und 13.12.16. Ablehnung Kostengutsprache: Es sei kein Krankheitswert im Sinne des KVG dokumentiert.
Der Fall wurde dem BAG gemeldet.
Atupri VIII
Frau, Genotyp 3a: Atupri verweigert Kostenübernahme einer Therapie trotz erfüllter Limitatio
Die Patientin leidet an einer chronischen Hepatitis C, Fibrosestadium F2. 2 Fibroscanwerte liegen vor. Ablehnung Kostengutsprache: Es sei kein Krankheitswert im Sinne des KVG dokumentiert.
Der Fall wurde dem BAG gemeldet.
Atupri VII
Mann, Genotyp 3a: Atupri verweigert Kostenübernahme einer Therapie trotz erfüllter Limitatio
Der Patient leidet an einer chronischen Hepatitis C, Fibrosestadium F2, gemessen am 16.6.16 und 3.11.16. Ablehnung Kostengutsprache: Es sei kein Krankheitswert im Sinne des KVG dokumentiert. Ablehnung des Widererwägungsgesuchs: Der Vertrauensarzt empfiehlt eine Ablehnung, da die Zweckmässigkeit nicht überprüft werden könne.
Der Fall wurde dem BAG gemeldet.
Atupri VI
Mann, Genotyp 1a: Atupri verweigert Kostenübernahme einer Therapie trotz erfüllter Limitatio
Der Patient leidet an einer chronischen Hepatitis C, Fibrosestadium F3, gemessen am 21.4.16 und 22.12.16. Ablehnung Kostengutsprache: Es sei kein Krankheitswert im Sinne des KVG dokumentiert.
Der Fall wurde dem BAG gemeldet.
Swica I
Frau, Genotyp 1: Swica verweigert Patientin die Therapie
Die Patientin leidet unter starker Müdigkeit. Mit dieser Begründung wird um eine Kostengutsprache bei Swica ersucht. Die Krankenkasse lehnt dies ab mit der Begründung, die Fatigue komme häufig in der Bevölkerung vor und könne nicht kausal einer Infektion zugeordnet werden.
Atupri V
Mann, Genotyp 1: Atupri verweigert Patient mit Leberzirrhose die Therapie
Der Patient hat eine Diagnose einer chronischen Hepatitis C mit Fibrosegrad 4, das heisst er leidet an einer Zirrhose. Der behandelnde Arzt stellt die erste Anfrage für eine Kostengutsprache am 9.5.16 und sendet am 20.6. 16 die Befunde der Untersuchungen an den Vertrauensarzt der Kasse.
Die erste Ablehnung durch Atupri erfolgt mit der Begründung, die Limitatio sei nicht erfüllt, da keine Beschwerden vorliegen würden.
Trotz Widererwägungsgesuch des Arztes und mehreren weiteren Schreiben, beharrt die Kasse auf ihrem Standpunkt. Dies obwohl der Arzt in der Korrespondenz darlegt, dass alle Voraussetzungen für die Übernahme des Medikaments aus der Grundversicherung erfüllt seien und eindringlich den prekären Zustand des Patienten beschreibt: Dieser habe ein stark erhöhtes Risiko für Wasserbauch, blutende Krampfadern und Leberkrebs. Der Arzt führt mehrmals aus, dass er eine solche Verweigerungshaltung bei einer Kasse noch nie erlebt habe.
Der Patient seinerseits hat eine einsprachefähige Verfügung verlangt. Atupri stellt sich in dieser auf den Standpunkt, dass trotz dem Fibrosestadium 4 keine behandlungsbedürftige Krankheit vorliege.
Der Arzt meldet den Fall dem BAG.
Die letzte Ablehnung datiert vom 23. Februar 2017. Der Patient ist nach wie vor unbehandelt.
Atupri IV
Frau, Genotyp 3a: Atupri verweigert Kostenübernahme einer Therapie trotz erfüllter Limitatio
Limitatio erfüllt (Fibroscan). Begründung der Ablehnung: “Kein Krankheitswert”.
Fazit: Die Krankenkasse verhält sich rechtswidrig.
Atupri III
Mann, Genotyp 4: Atupri verweigert Kostenübernahme einer Therapie trotz erfüllter Limitatio
Limitatio erfüllt (Fibroscan). Begründung der Ablehnung: “Kein Krankheitswert”.
Fazit: Die Krankenkasse verhält sich rechtswidrig. Wir sind mit der Kasse im Kontakt und erwägen weitere Schritte.
Atupri II
Mann, Genotyp 1b: Atupri verweigert Kostenübernahme einer Therapie trotz erfüllter Limitatio
Eigentlich braucht es in diesem Fall gar keine Kostengutsprache, denn der Patient erfüllt die Limitatio. Es wurde zweimal mit Fibroscan >7.5kPa gemessen (7.8 Februar 2016; 7.9 August 2016). Die Kasse hat die Kostenübernahme dreimal ohne weitere Begründung abgelehnt. 2 Telefongespräche mit dem vertrauensärzlichen Dienst waren wirkungslos. Der Patient forderte darauf eine einsprachefähige Verfügung.
Fazit: Das Vorgehen der Krankenkasse ist rechtswidrig. Der Arzt hat den Fall dem BAG gemeldet.
Visana I
Mann, Genotyp 1a: Visana verweigert Patienten mit Leberzirrhose die wirksame Therapie
Der Patient hat eine Genotyp 1a Infektion. Ein Untersuch der Leber zeigt das Fibrosestadium 4 an, also eine Leberzirrhose. Die Ärztin stellt den Antrag auf 12 Wochen Behandlung mit Harvoni und Ribavirin, wie es medizinisch angezeigt ist und wie es die schweizerischen Behandlungsrichtlinien empfehlen. Die Krankenkasse lehnt die medizinisch notwendige Behandlung ab und behauptet, Fibrosestadium 4 sei keine Zirrhose (was nicht stimmt). Der Vertrauensarzt, der den Entscheid gefällt hat, weigert sich, mit der Ärztin zu telefonieren.
Die Ärztin stellt nun einen Antrag für eine Behandlung mit nur Harvoni von 24 Wochen. Diese Behandlung kommt die Krankenkasse zwar teurer zu stehen. Sie wird aber bezahlen, da Harvoni für eine Behandlung von Patienten ab Fibrosestadium 2 für 24 Wochen vergütet werden muss.
Uns sind weitere solcher Fälle bekannt. Die Limitatio des BAG führt dazu, dass die wirksamste und in diesem Fall sogar günstigere Therapie dem Patienten verweigert wird.
Concordia I
Mann, 54, koinfiziert, Genotyp 3: Concordia lehnt trotz Lebensgefahr Kostengutsprache ab – Gilead will sich nicht beteiligen
Der Patient lebt seit 30 Jahren mit HIV. Diese Infektion wird seit vielen Jahren sehr erfolgreich behandelt. Der 54-Jährige nimmt seine Therapie vorbildlich und diszipliniert ein. Zusätzlich leidet der Patient an einer chronischen Hepatitis C, Genotyp 3. 2007 und 2011 wurden zwei Therapieversuche mit Interferon und Ribavirin unternommen, welche leider erfolglos waren. Im Verlauf der letzten Jahre haben sich eine Leberzirrhose sowie Speiseröhrenkrampfadern entwickelt.
Um zu überleben, braucht der Patient dringend eine Therapie. Weil es keine etablierten Alternativen gibt, stellt der Arzt einen Antrag an die Concordia. Er möchte den Patienten 24 Wochen lang mit Sovaldi plus Daclatasvir therapieren, da so die Chance auf Heilung am grössten ist. Das noch nicht zugelassene Daclatasvir ist in einem Early Access Programm kostenlos erhältlich.
Die Concordia behauptet, der Patient erfülle die Bedingungen der BAG-Limitation nicht und weigert sich, die Kosten für Sovaldi zum vollen Preise zu übernehmen. Die Versicherung macht abenteuerliche Berechnungen bezüglich Herstellkosten des Medikamentes aufgrund publizierter Konzernfinanzzahlen und erklärt sich bereit, maximal 30% des Listenpreises für Sovaldi zu vergüten. In ähnlichen Fällen finden die Krankenkassen oft eine Lösung mit der Herstellerfirma. In dieser Situation war Gilead nicht bereit, über den Preis zu verhandeln.
Die behandelnden Ärzte intervenieren erfolglos bei der Concordia. Der Rechtsdienst des zuständigen Spitals wurde eingeschaltet. Dieser hat die Krankenkasse aufgefordert ihren Entscheid nochmals zu erwägen. Die Pattsituation zwischen Concordia und Gilead wird auf dem Rücken des Patienten ausgetragen. Dieser wartet und fürchtet um sein Leben. Auch das Widererwägungsgesuch wurde inzwischen abgelehnt. Concordia begründet die Ablehnung insbesondere mit einer Mahnung des BAG vom November 2014 an die Krankenkassen, Sovaldi nur innerhalb der Limitatio zu vergüten. Der Patient wartet weiter.
«Ende gut, alles gut? Die erste Anfrage für eine Kostengutsprache ist im November 14 erfolgt. Im April 15 schliesslich haben sich Gilead und Concordia über die Abgabe von Sovaldi geeinigt: Der Patient kann nun nach 6 Monaten endlich behandelt werden.»
N.B.: Die Concordia hat ihre Haltung geändert und unterstützt die Hepatitis-C Strategie.
CSS I:
Verweigerung der optimalen Therapie bei Vorliegen einer Leberzirrhose
Die Patientin hat eine Leberzirrhose. Eine Interferonbehandlung wurde wegen Nebenwirkungen vor Jahren abgebrochen. Der Arzt gibt eine Kostengutsprache für Daklinza/Sovaldi/Ribavirin für 12 Wochen oder alternativ Daklinza/Sovaldi für 24 Wochen ein. Diese Therapie ist gemäss Studien die wirksamste und wird von den Guidelines empfohlen. 12 Wochen plus Ribavirin oder alternativ ohne Ribavirin dafür über 24 Wochen behandeln zeigen einen deutlichen Benefit gegenüber einer nur 12-wöchigen Behandlung mit Daklinza/Sovaldi.
Das Gesuch wird abgelehnt und nur 12 Wochen Daklinza/Sovaldi übernommen.
In einem Telefonat mit der Kasse gibt die verantwortliche Person zu, dass sie den Fall gar nicht mit dem Vertrauensarzt rückgesprochen, sondern aufgrund Algorithmen entschieden hat. Sie sagt im gleichen Telefonat, die vom Arzt mitgelieferten Studien seien nicht evidenzbasiert.
Wie im Fall Sanitas IV werden so von Seiten Krankenkassen ein Therapieversagen, Resistenzbildung und noch teurere Re-Therapien in Kauf genommen. Nicht zuletzt wird das Ganze also auf dem Rücken leidender und sterbender Patienten ausgetragen.
Sanitas I
Frau, 64, mit einem Lymphom: Sanitas lehnt Kostengutsprache für interferonfreie Therapie ab
Die Patientin wurde vor circa 30 Jahren mit Hepatitis C angesteckt. Die Erkrankung wurde erst kürzlich diagnostiziert. Frau T. leidet an einem Lymphom, das wahrscheinlich durch ihre chronische Hepatitis C ausgelöst wurde. Sie wehrt sich gegen eine Behandlung mit Sovaldi/Interferon/Ribavirin, da ihr Immunsystem bereits geschwächt ist und bei einem Lymphom Interferon und Ribavirin nicht verschrieben werden sollten.
Ihr Arzt beantragt eine Kostengutsprache für die interferonfreie Therapie Viekirax und Exviera bei Sanitas. Er beruft sich auf den Artikel 71b des KVV (Vergütung von Medikamenten ausserhalb der Spezialitätenliste), da diese Medikamente die Zulassung für die Schweiz noch nicht erhalten haben.
Sanitas lehnte die Kostengutsprache für die interferonfreie Therapie mit einem Standardbrief ab und verweist auf die Auskunft des Vertrauensarztes, dass andere Therapien verfügbar wären. Damit war wohl die Kombination Sovaldi/Interferon/Ribavirin gemeint, welche nicht verschrieben werden sollte und 24 Wochen dauert.
Dank des Einsatzes ihres Arztes erhält die schwer kranke Frau nun Viekirax und Exviera über ein Early-Acess-Programm der Herstellerfirma Abbvie, das die Medikamente für Härtefälle kostenfrei zur Verfügung stellt. Diese Therapie dauert voraussichtlich 12 Wochen. Die Frau hofft, bald von Hepatitis geheilt zu sein, damit sie endlich ihre Krebserkrankung behandeln lassen kann.
Atupri I
Mann, 42, koinfiziert: Die Krankenkasse Atupri will à tout prix nicht bezahlen: Trotz erfüllter Limitatio wird die Behandlung Sovaldi/Ribavirin abgelehnt.
Der Patient ist koinfiziert (HIV und Hepatitis C). Seit 1999 wird die HIV-Infektion des 42-Jährigen behandelt. Diese ist dank der regelmässigen Medikamenteneinnahme gut kontrolliert. Dazu kommt eine chronische Hepatitis C, Genotyp 3, mit einer fortgeschrittenen Leberzirrhose. Der Patient erfüllt alle Kriterien für eine Behandlung mit der neuesten Generation der Hepatitis-C-Medikamente.
Die Ärztin gibt die Therapie Sovaldi in Kombination mit Ribavirin für 24 Wochen bei Atupri, der Krankenkasse des Patienten ein. Gut zwei Wochen später hält sie überraschend einen Ablehnungsbescheid in den Händen. Die Ablehnung durch den Vertrauensarzt wird damit begründet, dass die Limitatio nicht erfüllt sei. Was nachweislich aufgrund der Leberwerte des Patienten nicht stimmt.
Auch ein Telefongespräch mit der Krankenkasse bringt keine Klärung. Diese verweist auf den Entscheid des Vertrauensarztes der Kasse. Die Ärztin will keinesfalls aufgeben. Der Patient braucht die Medikamente dringend. Sie überlegt sich nun, an die Aufsichtsbehörde des BAG zu gelangen.
Dem Positivrat ist ein weiterer, ähnlich gelagerter Fall bei Atupri bekannt.
Sanitas II
Mann, 58, Genotyp 4: Ablehnung Antrag Harvoni Obwohl Harvoni die bessere Therapie wäre und halb so teuer, wie die bewilligte Sovaldi/Ribavirin-Therapie, wird ein Antrag auf Kostengutsprache von der Krankenkasse abgelehnt.
Der 58-jährige Patient leidet an einer chronischen Hepatitis C vom Genotyp 4, Fibrosestadium 3. Er hat schon eine Therapie mit Interferon und Ribavirin hinter sich, auf die sein Körper nicht ansprach. Seine Leber ist soweit geschädigt, dass er nicht unter die BAG-Limitatio fällt und eine Therapie mit Sovaldi möglich wäre.
Allerdings muss Sovaldi mit Ribavirin kombiniert werden. Der Patient hat jedoch die damalige gescheiterte Therapie sehr negativ in Erinnerung und will keinesfalls nochmals diese schweren Nebenwirkungen auf sich nehmen. Eine Ribavirin-freie Therapie mit Harvoni (Sovaldi und Lepasvir) ist seit 1. Februar in der Schweiz zugelassen, allerdings nur für Genotyp 1. Für Harvoni liegen Studiendaten vor, dass es auch für Genotyp 4 hochwirksam ist.
Sein Arzt beantragt eine Kostengutsprache bei Sanitas, der Krankenkasse des Patienten. Mit Verweis auf die nicht erfolgte Deckung durch die Grundversicherung wird der Antrag von Sanitas abgelehnt. Auch ein Widererwägungsgesuch, das stringent aufzeigt, dass Harvoni die wirksamere Therapie und halb so teuer wäre, wie die Sovaldi/Ribavirin, wird abgelehnt. Begründet wird die Ablehnung mit der BAG-Limitatio. Zudem behauptet Sanitas, dass die wissenschaftliche Datenlage zu spärlich sie und kein grosser therapeutischer Nutzen gegeben sei.
Dieser Fall zeigt, dass die Limitatio und die zögerliche Zulassung der neuen Therapien nicht im Sinne des Prämienzahlers sind.
Concordia II
Frau, 70, Genotyp 1a: der zweite Fall einer Verweigerung von Sovaldi in Kombination mit (kostenlosem) Daclatasvir
Die 70-jährige Frau suchte erstmals im November 2014 medizinische Hilfe, da sie unter einem Ausschlag an den Extremitäten (im Rahmen einer Vaskulitus/Gefässentzündung), Gelenksentzündungen (einer Polyarthritis) und Augentrockenheit litt. Es wurde eine chronische Hepatitis C, Genotyp 1a diagnostiziert. Die Beschwerden sind sogenannte extrahepatische Manifestationen, hervorgerufen durch das Hepatitis-C-Virus. Der Zustand der Patientin verschlimmerte sich rapide. Es wurde eine hochdosierte Steroidtherapie eingeleitet. Um längerfristig den Zustand der Patientin zu stabilisieren, braucht es dringend eine Behandlung der Grunderkrankung Hepatitis C.
Die behandelnde Ärztin hat deshalb im Dezember 2014 in einem Early-Access-Programm bei der Firma BMS einen Antrag auf das Medikament Daclatasvir gestellt. Zu dem Zeitpunkt war noch nicht absehbar, wann die neuen Therapien auf den Markt kommen würden. Die Firma hat das Medikament bewilligt und war bereit, es kostenlos abzugeben. Mitte Februar 2015 wurde mit der Therapie Daclatasvir und Sovaldi begonnen; kurz vor Therapiestart hat die Ärztin die Krankenkasse Concordia über den Start informiert.
Wegen der extrahepatischen Manifestationen hat die Patientin Anrecht auf eine Vergütung von Sovaldi durch ihre Kasse. Die Ärztin hat aber mittlerweile den dritten Brief mit Ablehnung der Übernahme von Sovaldi erhalten. Begründet wird die Ablehnung damit, dass andere Therapien vorlägen und Daclatasvir nicht auf der Spezialitätenliste gelistet ist. Die Ärztin hat die Krankenkasse darauf hingewiesen, dass der Therapiebeginn wegen des Gesundheitszustands der Patientin nicht aufgeschoben werden durfte. Zudem wurde erst Ende Januar bekannt, dass die neuen Medikamente am 1. Februar 2015 zugelassen werden, also noch vor Antragstellung. Nach Beginn die Therapie zu wechseln ist wegen der psychischen Belastung für die Patientin untragbar. Zudem wären die Kosten für die zugelassene Therapie einiges höher.
Nach mehreren Briefwechseln und Telefonaten, die sich über Monate hinzogen, hat die Concordia schliesslich auch in diesem Fall das Medikament für die schwer kranke Frau bewilligt.
N.B.: Die Concordia hat ihre Haltung geändert und unterstützt die Hepatitis-C Strategie.
Sanitas III
Patientin, 49, koinfiziert: Trotz Erfüllung der Limitatio wird Harvoni verweigert
Die HCV-Infektion der Patientin mit einem Genotyp 1a ist seit über 10 Jahren bekannt. Die Leber ist inzwischen soweit geschädigt, dass eine Behandlung dringend nötig ist. Der Fibroscan-Nachweis, 2 Mal Fibroscan über 9.5kPa (11.8, 10.3), hat gezeigt, dass die Limitatio erfüllt ist.
Der behandelnde Arzt reicht eine Kostengutsprache für Harvoni ein. Diese wird von Sanitas ohne Angabe von Gründen abgelehnt. Auf telefonische Nachfrage teilt eine Sachbearbeiterin dem Arzt mit, der Vertrauensarzt habe gesagt, es sei eine leichte Hepatitis ohne Behandlungsindikation. Was nachweislich nicht stimmt.
Der Arzt hat nochmals an die Krankenkasse geschrieben und die Limitatio aufgelistet. Er hat die Kasse ebenfalls darauf hingewiesen, dass er sich bei einem abschlägigen Bescheid ans BAG wenden wird.
Sanitas hat auf das Protestschreiben des Arztes die Kostengutsprache für Harvoni für 12 Wochen erteilt.
Sanitas IV
Durch die Verweigerung der wirksamsten Therapie durch seine Krankenkasse riskiert der Patient ein Therapieversagen
Der Patient mit einer Hepatitis C mit Genotyp 3 hat eine Leberzirrhose. Somit ist die Limitatio für die Therapie mit Daklinza plus Sovaldi erfüllt. Gemäss Guidelines und Studien ist die Zugabe von Ribavirin zu Daklinza/Sovaldi notwendig und mit deutlich höheren Heilungsraten verbunden. Alternativ könnte die Therapie Daklinza/Sovaldi auf 24 Wochen verlängert werden.
Auch auf wiederholten Antrag hin weigert sich die Sanitas und ihr Vertrauensarzt, die Kosten für Ribavirin (1500.- Franken) zu übernehmen, obwohl die im Vergleich zu den Gesamtkosten (72‘000.- Franken) marginal sind. Dies obwohl der zuständige Arzt mit Blick auf die Kosten nur eine 12-wöchige Therapie beantragt hat statt die 24-wöchige Therapie mit Daklinza/Sovaldi. Somit geht die Krankenkasse das Risiko eines Therapieversagens wegen der suboptimalen ein. Es können sich in der Folge Resistenzen entwickeln und eine um einiges teurere Re-Therapie könnte notwendig werden.
Medienmitteilung der Schweizerischen Hepatitis C Vereinigung und des Positivrats Schweiz zur eingeschränkten Zulassung von Epclusa
Zürich, 10. Januar 2017 - Die gute Nachricht: Das neue Hepatitis-C Medikament Epclusa des Herstellers Gilead wurde am 1.1.2017 in der Schweiz zugelassen. Es ist das erste Medikament, welches gegen alle bekannten Genotypen des Virus wirkt und stellt wiederum einen Durchbruch in der Heilung der HCV-Betroffenen dar. Die schlechte: Epclusa wird gemäss BAG-Entscheid nur beim Einsatz gegen den Genotypen 3 vergütet, und dies im Widerspruch zur Swissmedic Zulassung für alle Genotypen. Wie alle anderen Hepatitis C Medikamente ist auch Epclusa auf Patienten mit mittelschweren Leberschäden ab Fibrosestatus F2 beschränkt. Das heisst, Patienten mit Leber-Fibrosegrad F0 und F1 sind weiterhin von der Behandlung ausgeschlossen, obwohl viele von ihnen erwiesenermassen unter zahlreichen Symptomen der Krankheit leiden, eine zuweilen stark eingeschränkte Lebensqualität haben und häufig auch im Erwerbsleben eingeschränkt sind.
Auch wurde bekannt, dass die Zulassung von Epclusa nur bis Ende Jahr gilt, und die Zulassungen von anderen Medikamenten wie Harvoni und Sovaldi bereits früher abläuft (August bzw. September). Damit riskiert das BAG nun auch noch einen Medikamenten-Engpass, selbst für die Patienten mit schwerer (lebensbedrohlicher) Leberschädigung.
Diese der Schweiz unwürdige Medikamentenrationierung muss ein Ende haben. Der Preiskrieg zwischen BAG und den Pharmaherstellern darf nicht länger auf Kosten der erkrankten Menschen geführt werden. Die bisherige Politik des BAG, nämlich Tausende von Erkrankten praktisch in „Geiselhaft“ zu nehmen („senkt die Preise oder wir lassen die Behandlung nicht zu“) ist illegal, sie hat keinerlei rechtliche Grundlage, und sie ist für uns absolut unverständlich. Die Schweiz könnte es sich leisten, ihren Bürgern und Bürgerinnen einen wirklichen Zugang zur medizinischen Grundversorgung zu garantieren. Zur Erinnerung: Im Artikel 117a der Bundesverfassung heisst es: Bund und Kantone sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für eine ausreichende, allen zugängliche medizinische Grundversorgung von hoher Qualität. Davon kann bei der bestehenden Rationierung von HCV-Medikamenten keine Rede mehr sein. Vielmehr stehen die Leidtragenden weiterhin zwischen den Fronten.
Positivrat Schweiz
Walter Bärtschi, Vorsitz, Positivrat Schweiz, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, M +41 79 461 46 66
Schweizerische Hepatitis C Vereinigung SHCV
Daniel Horowitz, Präsident, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, M +41 79 339 1859
Unser Mitglied Matti Bitterlin macht Illustrationen und Karikaturen zu aktuellen Themen des Positivrats. Seine neusten Zeichnungen werden jeweils im Newsletter veröffentlicht. In untenstehender Galerie können alle bisherigen Illustrationen und Karikaturen angeschaut werden.
Galerie:
Matti Bitterlin:

Matti Bitterlin, eigentlich Stadt-Züricher aber in Bern aufgewachsen, genoss seine Schulbildung an der Rudolf-Steiner Schule. Damit war für den schon immer zur Kreativität neigenden Bub klar, was seine Berufung ist! Bereits als Kind war sein grösstes Hobby das Zeichnen, als Teenager aber auch das Tanzen. Da er meinte, Zeichnen könne er immer noch, wenn er alt sei, schloss er eine Ballett-Tänzer Ausbildung am Hamburgischen Ballettzentrum ab. Auf der Bühne war er 15 Jahre lang, allerdings in Musicals, wo neben dem Tanzen auch das Singen und Schauspielern wichtig sind. Nebenbei war er auch als „Dance-Captain“, Tanzpädagoge und Choreograph tätig. Gezeichnet hat er nebenbei immer, indem er Geburtstag- und Weihnachtskarten für seine Familie und Freunde zeichnete. Nach einem schweren Unfall im Jahr 2014 entschied er sich endgültig fürs Zeichnen, Karikieren und Illustrieren. Auf Facebook betreibt er die öffentliche iMatti "Matti-illustrations" Gruppe und auch auf Instagram und tumblr ist er zu finden!
Der Beobachter berichtet in einem Artikel über die Rolle des Handys in der Zukunft der Medizin.
Lesenswert ist auch das Porträt von David Haerry.
http://www.beobachter.ch/wirtschaft/artikel/medizin_chefarzt-dr-smartphone/
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