Aktuell

Wer mit HIV lebt, weiss am besten, wie sich das anfühlt. Viele Frauen fühlen sich isoliert und verheimlichen ihre Infektion. Schuld- und Schamgefühle belasten einige. Neu gibt es ein Programm für Frauen mit HIV, das ihre Gesundheit stärkt. Die Gruppentreffen finden in Städten der Deutschschweiz statt.

Flyer Zürich (PDF)
Flyer_Bern.pdf
Faltflyer_Thurgau_positive_Frauen_Schweiz.pdf

Positive Frauen Schweiz ist eine Initiative von HIV-positiven Frauen und HIV-Ärztinnen, mit Unterstützung durch die AIDS-Hilfe Schweiz, regionale AIDS-Hilfen und unabhängige finanzielle Gaben der Firmen BMS, AbbVie und Gilead.

 „Es ist ein Skandal“, sagt Dani, „es kann doch nicht sein, dass Leute in unserem Land aus Kostengründen eine Heilung verweigert wird“. So steht’s auch in seinem Blog „Stop Hepatitis“, den er vor kurzem im Internet aufgeschaltet hat.

Dani ist mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert. Empört ist er wegen der Limitatio, die das BAG für die neuen, sehr wirksamen, aber auch sehr teueren Medikamente verhängt hat. Infizierte haben erst ab einem Fibrosestadium F3, was einem schweren Leberschaden entspricht, den Zugang zu den heilenden Medikamenten. „Es kann doch nicht sein, dass die Menschen erst behandelt werden, wenn sie schon ernsthaft erkrankt sind“, sagt er.

Er weiss, wovon er spricht. Seit vielen Jahren lebt er mit der Infektion. Er hat eine gescheiterte Therapie mit Interferon und Ribavirin hinter sich. Diese Therapie, die in manchem Fällen bis zu einem Jahr eingenommen werden muss, hat starke Nebenwirkungen. Die Heilungsraten sind beschränkt. Jetzt wartet er auf die neuen Medikamente. Auch hat er Symptome wegen seiner Infektion. Doch Jammern ist nicht sein Ding, er handelt lieber. „Ich kann damit umgehen“, sagt er nur.

Er selber habe Glück, sagt er lakonisch. Ihn selbst treffe die Limitatio nicht, denn seine Leber ist soweit geschädigt, dass er von den neuen Therapien profitieren wird. Doch für ihn ist sein Engagement eine Frage der Solidarität mit anderen. „Wenn niemand etwas macht, dann passiert nichts“, erklärt er seine Motivation. Und wenn es ihn betreffen würde, würde er die Medikamente selber bezahlen. „Das wäre meine Altersvorsorge, aber das wäre es mir wert. Aber andere können das nicht.“ Das wir bald eine Zweiklassenmedizin haben, dass befürchtet er. Auch deshalb will er sich dagegen wehren.

Der 58-jährige IT-Fachmann war früher politisch aktiv. Schon immer war es ihm ein Anliegen, sich für eine solidarische Gesellschaft und für Schwächere einzusetzen. Für ihn ist klar, dass Menschen behandelt werden müssen, sobald ihre Leben Schaden nimmt, auch in frühen Stadien der Infektion. „Auch eine F1 ist schon eine Schädigung der Leber, da muss doch behandelt werden“, sagt er.

Auch die Folgekosten der Epidemie wären grösser, wenn jetzt nicht behandelt wird. „Ich hoffe, dass das BAG an die Gesundheit der Menschen denkt, so wie sie es auf ihrer Website schreiben. Und nicht nur ans Geld.“

Er verlangt weiter, dass so schnell wie möglich ein Plan zur Elimination der Hepatitis in der Schweiz erarbeitet und umgesetzt wird. Er, der lange Zeit in Südamerika gelebt hat, und fliessend spanisch spricht, verfolgt die Situation in Spanien genau. „Da gingen Tausende Betroffene auf die Strasse und reichten eine Petition mit 200‘000 Unterschriften ein.“ Er glaube zwar nicht, dass das in der Schweiz möglich sei. Aber trotzdem: Sein Wunsch ist, bald mit anderen Betroffenen und Transparenten auf dem Bundesplatz zu stehen und lautstark den Zugang zu den heilenden Medikamenten zu fordern.

Ein erster Schritt ist getan: Dani hat zusammen mit einem anderen Betroffenen eine Online-Petition lanciert. Die Petition kann hier unterschrieben werden.

Wer sich mit Dani in Verbindung setzen und sein Engagement unterstützen will, schreibt ihm an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Das ist das traurige Fazit, gezeigt am Modell mit Daten der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie, das kürzlich am Infektiologenkongress CROI 2015 grosses Aufsehen erregte. Mit HIV und Hepatitis C koinfizierte Menschen, welche eine Therapie der Hepatitis C verzögern, haben ein erhöhtes Risiko für Leberversagen, Leberkrebs oder Tod aufgrund eines Leberschadens. Wird die Hepatitis C erst behandelt, wenn sich eine Leberzirrhose entwickelt hat, erhöht sich das Risiko für einen Tod aufgrund Leberschäden um das Fünffache. Und die Patienten sind bis zu viermal länger ansteckend. Angesichts dieser Daten sind die in der Schweiz verordneten Limitationen beim Einsatz der neuen Hepatitis-C-Therapien unverantwortlich und unhaltbar.

Eine Hepatitis–C-Infektion (HCV), die nicht spontan geheilt wird und chronisch wird, kann zu fortgeschrittenen Lebererkrankungen mit Diagnosen wie Leberzirrhose, hepatozellulären Karzinomen (Leberkrebs) und – im Endstadium – zu akutem Leberversagen führen. Meist dauert es Jahre oder Jahrzehnte, bis sich diese Krankheiten entwickeln. Bei mit HIV koinfizierten Menschen schreitet die Krankheitsentwickelung rascher fort als bei HCV-monoinfizierten Patienten. Die beiden Infektionen begünstigen sich gegenseitig. Eine erfolgreiche, rasche Hepatitis C Therapie eliminiert diese Risiken nicht völlig, aber reduziert sie deutlich.
Die bisherigen, auf Interferon basierenden HCV-Therapien wurden oft sehr schlecht vertragen, dauerten bis zu einem Jahr und waren nur in der Hälfte aller mit HCV Genotyp 1 infizierten Patienten erfolgreich. Angesichts dieser Tatsachen empfahlen die massgebenden Therapierichtlinien eine Behandlung hinauszuzögern, bis eine fortgeschrittene Lebererkrankung nachgewiesen war. Weil jetzt viel wirksamere und besser verträgliche Therapien vorhanden sind, fordern Ärzte und Patientenvertreter einen Paradigmenwechsel – alle Patienten mit einer chronischen Hepatitis C sollten so rasch wie möglich behandelt werden. Ein Modell zeigt nun, dass dies medizinisch sinnvoll ist. In der Schweiz und auch anderswo haben die hohen Kosten der Medikamente jedoch dazu geführt, dass die zuständigen Behörden die Therapie auf Patienten mit einer fortgeschrittenen Erkrankung beschränkten.

Modell mit Kohortendaten
Cindy Zahnd von der Universität Bern und ihre Kollegen von der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie entwickelten ein mathematisches Modell, welches den Einfluss verschiedener HCV-Therapiestrategien auf das Fortschreiten der Leberfibrose bei mit HIV koinfizierten HCV-Patienten untersucht. Das Modell arbeitet mit Daten neu diagnostizierter HCV-Infektionen unter schwulen und bisexuellen Männern in der HIV-Kohortenstudie. Alle Kohorten-Patienten werden jährlich auf HCV-Antikörper und erhöhte Leberenzyme überprüft. Das Modell berücksichtigt Patienten aus allen Stadien ab akuter HCV-Infektion über „keine Fibrose“, Stadium F0; „leichte Fibrose“ F1; „moderate Fibrose“ F2; „schwere oder fortgeschrittene Fibrose“ F3 oder Leberzirrhose F4 wie auch dekompensierende Leber (Leberversagen), Leberkrebs und Tod. Die Forscher setzten voraus, dass das Alter der Patienten beim Zeitpunkt der Infektion und Alkoholkonsum den Krankheitsverlauf beeinflussen.
Das Modell geht weiter davon aus, dass im ursprünglichen Szenario mit den alten Therapien 60% der Patienten mit pegyliertem Interferon und Ribavirin behandelt wurden und diese Therapie bei 40% der Patienten erfolgreich war. Bei den neuen, interferonfreien Therapien ging man von Behandlungsraten von 100% aus, welche in 90% aller Fälle erfolgreich verläuft. Die Risiken von Lebererkrankungen und Tod wurden bewertet, wie auch die Dauer der Infektiosität (definiert als nachweisbare Hepatitis-C-Viruslast). Diese Szenarien wurden verglichen mit verschiedenen Therapiestrategien – Behandlung innert eines Monats nach Diagnose (was nicht dem Zeitpunkt der Ansteckung entspricht), ein Jahr nach der Diagnose oder bei Lebererkrankungsstadium F2, F3 oder F4. Das Risiko einer HCV-Reinfektion nach erfolgreicher Therapie wurde nicht berücksichtigt.

Frühe Therapien verhindern Todesfälle…
Im Ausgangsszenarium (Interferon-basierende Therapien) entwickelten ungefähr 10% der Patienten eine dekompensierende Leber, mehr als 15% entwickelten ein Leberkarzinom und mehr als 25% starben an leberbedingten Komplikationen. Mit den neuen Therapien und einer raschen Behandlung innerhalb eines Monats oder einem Jahr nach Diagnose werden die Proportionen dramatisch reduziert – nur etwa 1% der Patienten entwickeln eine dekompensierende Leber, nur etwa 2% ein Leberkarzinom und nur ca. 3% sterben an leberbedingten Komplikationen.

…und Neuansteckungen
Wird der Therapiebeginn auf die Lebererkrankungsstadien F2 oder F3 verzögert, steigen die Risiken von Lebererkrankungen und Todesfall an. Ein steiler Anstieg der Risiken zeigt sich bei einer Therapieverzögerung auf das Stadium F4. Bei Behandlungsbeginn im Stadium F3 zeigen 3% der Patienten eine dekompensierende Leber, die Leberkrebsrate steigt auf 8% und leberbedingte Todesfälle betragen 10%. Bei Therapiebeginn im Stadium F4 verschlechtern sich diese Werte auf 5%, 20% und 25%. Wird die Therapie von F2 auf F3 verschoben, verdoppelt sich die Rate von leberbedingten Todesfällen von 5% auf 10%; verschiebt man die Therapie auf F4, verfünffacht sich das Risiko auf 25%.

Innerhalb eines Monats bis einem Jahr behandelte Patienten können HCV im Durchschnitt während ca. 5 Jahren übertragen. Setzt die Behandlung bei F2 ein, sind sie während 12 Jahren infektiös, mehr als 15 Jahre bei F3 und fast 20 Jahre bei einer Therapie im Stadium F4. Cindy Zahnd betonte, dass zwischen den raschen Behandlungsstrategien innerhalb eines Monats oder einem Jahr nach Diagnose kaum ein Unterschied festzumachen ist. Behandlungsverzögerungen in die Stadien F2, F3 oder F4 jedoch machen wirklich etwas aus.

Trotz Heilung: Risiko Leberkrebs erhöht
Das Risiko einer dekompensierenden Leber, Leberkrebs oder leberbedingtem Tod sinkt auch bei erfolgter Heilung nicht auf Null. Diese Risiken steigen bei verzögerter Therapie zudem stark an. Die Mehrheit der leberbedingten Todesfälle findet nach erfolgter Heilung statt, wenn der Therapiebeginn auf die Stadien F3 oder F4 verzögert wird.

Der an der Studie beteiligte Hansjakob Furrer vom Inselspital in Bern betonte denn auch nach der Präsentation von Cindy Zahnd dass die Studie aus genau diesem Grund durchgeführt wurde. „Wir verwenden die Daten für Gespräche mit dem BAG. Diese Verhandlungen werden durch die klare Datenlage erleichtert – alles spricht für eine frühere Behandlung der HCV Patienten“.

Die gegenwärtig verfügten Limitationen des Bundesamtes für Gesundheit verzögern die Behandlung auf F3 oder F4, mit nur wenigen Ausnahmen. Die Alarmglocken läuten – wir hoffen, sie werden gehört. Menschen mit HIV Ko-Infektionen sollten sofort von Therapien profitieren können. Zudem: Eine rechtzeitige Therapie der Patienten führt zu einer Volumenausweitung. Unter dieser Voraussetzung sollten die Behörden Preisreduktionen mit den Herstellerfirmen aushandeln können. Andere Länder machen das vor. Aus Public-Health- und aus der Patienten-Perspektive ist die gegenwärtige Situation unhaltbar.

Zahnd C et al. Impact of deferring HCV treatment on liver-related events in HIV+ patients. 2015 Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections (CROI), Seattle, abstract 150, 2015; http://www.croiconference.org/sessions/impact-deferring-hcv-treatment-liver-related-events-hiv-patients
Autor: David Haerry

Die HCV Triple Therapie mit den Erstgeneration Proteasehemmern hat sehr viele Nebenwirkungen. Eine qualitative Studie lässt Patientinnen und Patienten zu Worte kommen und zeigt, wie hart diese Therapien sind und wie wichtig der Support durch das Gesundheitspersonal ist.

Die qualitative Studie “Fighting An Uphill Battle” („Kampf gegen den Niedergang“) zeigt eindrücklich, welch harter Kampf die Einnahme der Erstgeneration der direkt-agierenden Medikamente (DAAs) gegen Hepatitis C bedeutet. In Interviews berichteten 13 Patientinnen und Patienten von ihren Erfahrungen mit der Triple-Therapie Interferon, Ribavirin mit einem Proteasehemmer (Boceprevir oder Telaprevir). Trotz hoher Motivation zu Beginn kämpften alle Patienten mit den Nebenwirkungen der Therapie, die bald ihren Alltag dominierte.

Die Heftigkeit der Symptome überstieg die Erwartung der Patienten bei weitem. Diese waren zahlreich, kamen nicht selten aus dem Nichts, und sie waren gesundheitsschädigend oder gar lebensgefährlich. In eindrücklichen Worten schildern die Patientinnen und Patienten ihren Zustand während der Therapieeinnahme. Eine Frau sagte, sie hätte sich wie ein „Zombie“ gefühlt. Die auftretenden Symptome zeigten sich bei vielen in einer Heftigkeit, die sie „am Boden zerstörte“, „räderte“, „schlauchte“, „auf alle Viere“ zwang, „total kaputt“ machte. Die Symptome waren oft so stark, dass sie das Alltagsleben völlig dominierten. Alles drehte sich nur noch um die Bewältigung der Nebenwirkungen.

Die Autoren kommen zum Schluss, dass es beim Management der Symptome früh Unterstützung durch das Gesundheitspersonal braucht, um die Abbruchrate gering zu halten. Entsprechende Schulungen für das Personal sind vorzusehen. Ebenso der Einbezug der Angehörigen. Da es Patienten oft schwer fiel, die vielfältigen und unspezifischen Symptome in Worte zu fassen, empfehlen die Autoren ein patientenorientiertes Assessment-System für die Symptome. Die HCV Triple Therapie wird gegenwärtig durch DAAs der nächsten Generation abgelöst. Diese hätten zwar deutlich weniger Nebenwirkungen, werden dafür aber bei Patienten in späteren Stadien – wenn vermehrt weitere Erkrankungen vorhanden sind – angewandt. Nebenwirkungen können dann durchaus Probleme bereiten. Die Studie zeigt, wie gut geschultes Supportpersonal Patienten mit starken Nebenwirkungen auffangen und motivieren kann.

Fighting An Uphill Battle – experience with the HCV triple therapy: a qualitative thematic analysis, Rasi et al. BMC Infectious Diseases 2014, 14:57
Link zum Originalartikel, frei verfügbar

Eine HIV-Infektion kann den Alterungsprozess beschleunigen und zu Begleiterkrankungen führen. Die Therapie bekämpft zwar das Virus, kann aber zu Langzeitnebenwirkungen führen. Deshalb interessiert die Fragen, was Patientinnen und Patienten selbst beitragen können zur Lebensqualität im Alter.

Dank der guten Therapiemöglichkeiten verbunden mit einer medizinischen Betreuung haben Menschen mit HIV heute wieder eine recht gute Lebensqualität. Ihre Lebenserwartung ist vergleichbar mit derjenigen von Patienten mit anderen chronischen Krankheiten, die eine dauernde medikamentöse Behandlung erfordern. Doch wie sieht es mit der Gesundheit aus bei Menschen, die schon über längere Zeit mit dem HIV leben? Wie geht es im fortgeschrittenen Alter weiter und was können ältere Menschen selbst zu ihrer Gesundheit und Lebensqualität beitragen? Ein erster Schritt ist, dass man sich regelmässig über neue Medikamente, Nebenwirkungen, Begleiterkrankungen und deren Gegenmassnahmen informieren lässt.

HIV kann den Alterungsprozess beschleunigen

Bisherige Langzeituntersuchungen ergaben, dass HIV den Alterungsprozess beschleunigen kann. Die Medikamente bekämpfen zwar das Virus und damit den negativen Einfluss von HIV im Alterungsprozess, gleichzeitig können aber Langzeitnebenwirkungen und Begleiterkrankungen auftreten. Neun von zehn älteren Betroffenen müssen mit einer oder mehreren der folgenden Beschwerden leben: Bluthochdruck, Depressionen, Neuropathie, Lebererkrankungen, Verminderung der Nierenfunktion, Hautproblemen oder Herpes. Ein gewisses Risiko besteht auch für Tuberkulose, Osteoporose, Demenz und weitere Erkrankungen.

Teilnahme an der Schweizer HIV-Kohorte

Eine Teilnahme an der Schweizerischen HIV-Kohorte (SHCS: Swiss HIV Cohort Study: www.shcs.ch) hat für HIV-Betroffene grosse Vorteile bei vergleichsweise geringem Aufwand: Ist man bei einem der nationalen Zentren in Behandlung, werden – sofern der Patient oder die Patientin zustimmt – die Daten zum Therapieverlauf der halbjährlichen Kontrolluntersuchung an die Kohorte weitergegeben. Einerseits hilft man so mit beim Aufbau einer weltweit einzigartigen Datenbank über den Langzeitverlauf der HIV-Infektion unter antiretroviraler Behandlung, andererseits bieten die Spezialisten der Kohorte eine optimale medizinische Langzeitbetreuung, denn sie wissen genau, auf was geachtet werden muss. Die regelmässigen Kon-sultationen geben vor allem älteren HIV-Patienten die für sie wichtige Sicherheit, dass alles unter Kontrolle ist und nichts unbemerkt aus dem Ruder läuft. Bei Abnahme der Wirksamkeit der Medikamente oder wenn unerwünschte Nebenwirkungen auftreten, kann rechtzeitig eine Anpassung der Therapie vorgenommen werden. Im Rahmen der Kohorte werden jeweils auch weitere medizinische Kontrollen sämtlicher Organe durchgeführt: Niere, Leber, Herz und weitere. Es ist hilfreich, sich alle Fragen vor der Konsultation gut zu überlegen oder schriftlich vorzubereiten.

Vertrauensverhältnis Arzt/Ärztin – Patient/Patientin

Der Patient ist kein unmündiger Befehlsempfänger, sondern ein vollwertiger Partner in einem gemeinsamen Unterfangen, das heisst es braucht eine Kooperation mit dem Arzt / der Ärztin auf Augenhöhe. Unter-suchungen und Ergebnisse sowie medizinische Massnahmen werden bei der Konsultation besprochen und Entscheide werden gemeinsam gefällt. Es gibt übrigens auch Hausärzte, die an der HIV-Kohorte angeschlossen sind.

Prophylaktische Untersuchungen

Da eine Grippeerkrankung für HIV-Positive möglicherweise schwere Folgen haben kann, sollte die jährliche Grippeimpfung im Spätherbst eine Selbstverständlichkeit sein. Im Rahmen der Kohorte werden prophylaktische Untersuchungen vorgeschlagen oder routinemässig durchgeführt: Blutdruck, Urinuntersuchungen, Blutzucker und weitere Blutwerte, Nieren- und Leberfunktion, Knochendichte (also ob ein Risiko auf Osteoporose besteht), letztere damit rechtzeitig mit einer Kalzium-Substitution und Vitamin-D-Therapie begonnen werden kann. Dieses Risiko besteht auch bei älteren Männern mit HIV, weshalb manche Ärzte die Messung des Testosteronspiegels empfehlen. Ein zu tiefer Wert hat nämlich Auswirkungen sowohl auf das psychische als auch auf das physische Wohlbefinden(zum Beispiel etwa die Knochendichte). Ab fünfzig Jahren ist auch eine Darmspiegelung (Koloskopie) im Rahmen der Darmkrebs-Vorsorge angezeigt; bei Frauen Brustuntersuchung und Mammographie und bei Männern die Untersuchung der Prostata. Weitere prophylaktische Untersuchungen und sinnvolle Vorbeugemassnahmen betreffen die Augen, die Zähne, Untersuchungen auf Hautkrebs und Herpes, die Lunge, das Herz-Kreislauf-System sowie den Genitalbereich. Neigung zu Depressionen, zu starken Gemütsschwankungen und Suizidgedanken sollten bei der Konsultation besprochen und die Möglichkeit einer Behandlung abgeklärt werden. Gerade hier bietet die Kohorte einen Mehrwert: Depressionen werden von den Betroffenen selten als solche erkannt. Die Befragung im Rahmen einer Untersuchung enthält Fragen, die die Chance auf eine korrekte Diagnose einer Depression erhöhen.

Gesund leben

Ein ganz wesentlicher Punkt ist, gesund zu leben: Kurz zusammengefasst heisst dies: wenig aber ausgewogen essen, insbesondere wenig Fett, dafür genug Vitamine, Spurenelemente und Ballaststoffe, regelmässig und genügend Flüssigkeit zu sich nehmen, nicht rauchen, mässig Alkohol konsumieren. Übergewicht sollte vermieden, allenfalls reduziert werden. Wichtig sind auch genügend Schlaf (ein Mittagsschlaf tut übrigens sehr gut) sowie genügend Bewegung (indem man beispielsweise einen Schrittzähler, also einen «Activity Tracker» beschafft, der eine tägliche Bilanz ermöglicht). Gerade bei Alkohol, Tabak, Übergewicht oder auch bei starken Gemütsschwankungen oder Neigung zu Depressionen haben Männer eher Mühe, zuzugeben, dass sie etwas nicht im Griff haben und Hilfe benötigen. Es mag zwar einiges an Überwindung kosten, aber es lohnt sich auf jeden Fall, dies mit dem HIV-Arzt oder dem Hausarzt zu besprechen und entsprechende Therapiemöglichkeiten abklären zu lassen. Weitere Massnahmen sind Zahnhygiene, Körperpflege und –Hygiene, Haut- und Fusspflege.

Die geistige Gesundheit und eine positive Lebenseinstellung spielen im Alter eine grosse Rolle. Dazu gehören eine stabile Beziehung oder gute Freundschaften ─ so ist immer jemand da, auf den man sich ver¬lassen kann, wenn es einem einmal nicht gut geht. Wichtig ist auch die Pflege seines sozialen Netzwerkes, sich mit andern Betroffenen zu vernetzen und auszutauschen, statt sich zu isolieren. Geistig aktiv bleibt man durch regelmässiges Gehirn- und Gedächtnistraining. Es lohnt sich auch, Hobbys zu pflegen oder sich neue Hobbys zuzulegen, seine Zeit und sein aktives Altern selbst zu planen und nicht von andern Personen bestimmen zu lassen. Hierzu gehört beispielsweise, sich jeden Tag etwas vornehmen und dann am Abend Bilanz erstellen, seine Selbstachtung nicht zu vernachlässigen, sondern sich so zu akzeptieren, wie man ist. Bei Depressionen oder Gemütsschwankungen sollte man sich nicht schämen, Hilfe zu suchen. Solche Beschwerden können behandelt werden. Der Hausarzt als Vertrauensperson kann hier den Kontakt zu einem Therapeuten vermitteln.

Viele der vorgeschlagenen Massnahmen gelten generell für ältere Menschen. HIV-Patienten sind jedoch vulnerabler und haben möglicherweise auch ein vermindertes Selbstwertgefühl, weshalb diese Punkte für ein gesichertes und soweit wie möglich beschwerdefreies Altern noch mehr Bedeutung haben. Die HIV-Infek¬tion bleibt auch unter funktionierender Behandlung eine Belastung, der Betroffene kann jedoch einiges zu seiner Lebensqualität beitragen, auch im Alter. Man kann sich mit Recht fragen, ob jemand glücklich ist weil es ihm/ihr gut geht, oder ob es nicht vielleicht umgekehrt ist, dass es ihm/ihr gut geht weil er/sie glücklich ist.

Die Schweizerische HIV-Kohortenstudie sucht Teilnehmende

Die Schweizerische HIV-Kohortenstudie will die Auswirkung der Alterung auf die HIV-Infektion erforschen und sucht dazu noch Teilnehmende für zwei Studien: HIV und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie HIV und Hirnleistung. Die Resultate werden helfen, ältere Patienten besser zu betreuen. Interessierte ab 45 Jahren wenden sich für mehr Informationen an ihren behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin.