Aktuell

Noch immer wirkt eine HIV-Diagnose wie ein Hammerschlag. Nichts scheint mehr, wie es vorher war. Ein Betroffener gibt Rat.

Die HIV-Diagnose ist für die meisten Betroffenen eines der wichtigsten Ereignisse im Leben. Die einen "wussten" es vielleicht im Stillen und haben jetzt die Bestätigung, andere hatten Risikokontakte und Symptome einer Primoinfektion, wieder andere waren ganz ahnungslos - so unterschiedlich wie die Ausgangslage ist auch die individuelle Reaktion. Voraussehbar ist wenig. Als selbst Betroffener bin ich oft mit Freunden oder Bekannten konfrontiert, die mit einer frischen Diagnose kämpfen. Wenn man diese Auseinandersetzung hinter sich hat, ist man eher in der Lage, ein paar hilfreiche Tipps zu geben.

Viele schämen sich, ärgern sich, weil man ja gewusst hätte wie man sich schützt. Andere sehen den Tod vor Augen, werden von Angst überwältigt, fühlen sich allein auf dieser Welt. Gestern war die Welt schön, heiter und voll Zuversicht - heute ist bloss Verzweiflung und ein grosses, dunkles Loch, nichts scheint mehr wie es war.

Auch wenn es im Moment schwierig scheint: erstens geht das Leben weiter, und zweitens kann man einiges tun gegen dunkle Gedanken und Gefühle - und für sich selbst. Du bist nicht alleine - in der Schweiz leben mehr als 20'000 Menschen mit einer HIV-Infektion, und alle mussten sich dieser Auseinandersetzung stellen. Wer die Diagnose in einem HIV-Testzentrum bekommen hat, hat vielleicht hier die Gelegenheit bereits beim Schopf gepackt und sich mit dem Berater über die drängendsten Fragen ausgesprochen. Zuhause angekommen ist man trotzdem alleine mit dem Befund, sucht Halt und hat bereits tausend neue Fragen.

Die Falle Selbststigmatisierung
Es hilft vielleicht auch, mal über Selbststigmatisierung nachzudenken. In dieser Falle bleiben viele von uns stecken. Es bringt nichts, sich selber zu beschuldigen, sich sozial zu isolieren oder mit niemandem über die Diagnose zu reden. Solche Reaktionen sind selbstzerstörerisch. Wenn Du das Gefühl hast, dass Du Dich selber stigmatisierst, rede mit jemandem. Eine Beratung bei der Aids-Hilfe, beim Checkpoint kann helfen. Erfahrene HIV-positive Menschen haben meist gelernt, damit umzugehen - auch sie können dir weiterhelfen.

Beobachte Dich aufmerksam in den ersten Wochen nach der Diagnose. Wenn Dir die Lebensfreude abhanden kommt, Du keine Entscheidungen mehr fällen kannst, die Lust an der Arbeit, Deinen Hobbies verlierst, dann brauchst Du vielleicht psychologische Unterstützung. Schäme Dich nicht, die Hilfe zu suchen, die Du brauchst.

Mit wem reden, mit wem nicht?
Sehr wichtig in den ersten Wochen nach dem Befund sind gute Ansprechpartner. Gute Freunde, denen man wirklich vertrauen kann, ein starker Partner, der Geborgenheit schenkt, oder ein von der regionalen Aids-Hilfe vermittelter ausgebildeter HIV-positiver Coach. Der Zürcher Checkpoint hat ein ausgezeichnetes Angebot, andere Aids-Hilfen ebenfalls - nachfragen lohnt sich und kostet nichts.

Wer positive Freunde oder Freundinnen hat, darf dort andocken und das Gespräch suchen. Ein bisschen Vorsicht ist geboten - man kann die besten Freunde überfordern, wenn man hunderttausend Fragen hat. Darum ab und zu nachfragen, und wenn nötig via Aids-Hilfe zusätzlich Rat holen. Überlege Dir aber gut, mit wem Du über Deine Diagnose reden willst. Der Austausch mit erfahrenen Patienten ist auch in dieser Hinsicht sehr wertvoll. Den Coiffeur, Deine Nachbarin, Dein Arbeitgeber geht Deine Diagnose meiner Meinung nach nichts an. Auch bei den Eltern ist manchmal Vorsicht angebracht - viele Deiner Mitmenschen sind mit Deiner Diagnose noch mehr überfordert als Du selber.

Diese erste Orientierungshilfe ist wichtig für Dich. Die Fortschritte in der HIV-Therapie und Forschung sind enorm. Möglicherweise hast Du völlig falsche Vorstellungen, was Leben mit HIV heute bedeutet. Wenn Du Dich mit der positiven Diagnose einfach verkriechst, dann bringt Dich dies sicher keinen Schritt vorwärts.

Habe ich den richtigen Arzt?
Als nächstes solltest Du Dir überlegen, ob Du für Deine Diagnose den richtigen Arzt hast, oder erst einen suchen musst. Theoretisch reicht dafür der Hausarzt. Die lebenslange HIV-Therapie ist aber derart komplex geworden, dass man sich das schon gut überlegen muss. Wenn Dein Hausarzt nicht mindestens 30-40 HIV-Patienten versorgt, dann fehlen ihm sehr wahrscheinlich die Zeit und Erfahrung, um eine langfristig optimale Betreuung sicherzustellen. Die Adressen der grösseren Schweizer Behandlungszentren findest Du hier.

In städtischem Umfeld sind auch einige HIV-Spezialisten mit freier Praxis tätig. Viele Patienten fühlen sich dort am besten aufgehoben. Adressen kann man bei der regionalen Aids-Hilfe erfragen. Wer auf dem Land wohnt, kann sich in den meisten Fällen trotzdem in einem grösseren Zentrum oder bei einem Spezialisten behandeln lassen. Es lohnt sich, den Weg in Kauf zu nehmen. In der Regel ist ein Arztbesuch ja nur alle drei Monate nötig. Auf den ersten Arztbesuch nach der Diagnose werden wir im nächsten Newsletter näher eingehen.

Brauche ich sofort eine Therapie?
Je nachdem, wie fortgeschritten Deine Infektion beim Zeitpunkt der Diagnose ist, brauchst Du entweder sofort eine Therapie, oder Du kannst noch zuwarten. Es ist sehr wichtig, diese Frage mit dem behandelnden Arzt rasch abzuklären. Deshalb ist auch das rasche Überprüfen Deiner ärztlichen Versorgung wichtig für Dich. Die neusten Zahlen der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie zeigen, dass die Schweizer Patienten ihre Therapie mit durchschnittlich weniger als 300 CD4-Zellen beginnen (die Kohortenstudie verfolgt die meisten HIV-Patienten der Schweiz langfristig). Bei Heterosexuellen und injizierenden Drogenkonsumenten ist dieser Durchschnitt nah bei 200 CD4. Das heisst, dass die meisten Patienten zu spät mit der Therapie beginnen. Entweder testen die Leute zu wenig oder zu spät, oder sie zögern zu lange mit dem Therapiestart.

Es ist für Betroffene wichtig zu verstehen, dass das Immunsystem ab Zeitpunkt der Infektion stark unter Druck gerät, weil es Abwehrkräfte gegen das Virus mobilisiert. Diesem Druck kann das Immunsystem eine Zeitlang standhalten (diese Zeitspanne variiert stark, jeder Mensch, jedes Immunsystem ist anders). Wenn die CD4-Helferzellen unter 500 sinken, redet man bereits von einem leicht geschwächten Immunsystem, ab 350 CD4 soll man gemäss gegenwärtigen Richtlinien mit der Therapie starten. Bei positiver Diagnose ist es wichtig, dass die erste Arztvisite rasch nach dem Befund stattfindet, damit die nötigen Abklärungen gemacht werden können. Zu lange abwarten führt zu schlechteren Behandlungsergebnissen, ist also nicht gut für Dich.

HIV und die Sache mit dem Sex
Für viele HIV-Infizierte wird die Sexualität ein schwieriges Thema. Man hat Angst, neue Leute kennenzulernen, man fürchtet sich, das Thema HIV überhaupt anzusprechen. Die meisten Betroffenen brauchen recht lange, um wieder zu einer unbeschwerten Sexualität zurückzufinden. Wenn man frisch infiziert ist, ist die sogenannte Viruslast sehr hoch, und damit auch die Ansteckungsgefahr. Konsequenter Kondomgebrauch ist also sehr wichtig. Wenn man unter Therapie ist und eine feste Beziehung hat, kann man unter bestimmten Umständen auf das Kondom verzichten. Die eidgenössische Kommission für Aidsfragen EKAF hat zu diesem Thema im Jahr 2008 Stellung bezogen. Ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt, oder mit einem Berater, einer Beraterin von der Aids-Hilfe ist auch hier sehr empfehlenswert.

Wo kann ich Infos abholen?
Nutze diese Zeit auch, um Dich besser zu informieren. Konsultiere die Webseite der Aids-Hilfe Schweiz für HIV-Positive. Du findest hier nützliche Informationen online, zum runterladen, Broschüren zum bestellen, wichtige Links zu anderen Organisationen und Informationsquellen, auch wichtige medizinische Infos. Wer Englisch spricht, findet auf Aidsmap eine ausgezeichnete und umfassende Informationsquelle. Wenn Du beruflich oder privat häufig reist oder längere Auslandaufenthalte planst, machst Du Dich am besten auf hivrestrictions.org ein wenig schlau über mögliche Beschränkungen.

David H.U. Haerry, durchgelesen von Romy Mathys

 

POSITIV 2/2010 © Aids-Hilfe Schweiz

Nach einem bestätigten positiven HIV-Test folgt der erste Arztbesuch. Dieser sollte möglichst rasch erfolgen. Was passiert bei diesem ersten Arzttermin? Wie kannst Du dich darauf vorbereiten? Ein paar Tipps eines erfahrenen Patienten.

Privatpraxis oder Uniklinik?
Du solltest Dir ein paar Gedanken machen, wo Du Dich am besten aufgehoben fühlst. Der Hausarzt* ist meiner Meinung nach nur dann der ideale erste Ansprechpartner für HIV, wenn er bereits sehr viele HIV-Patienten betreut (d.h. etwa 30-40). Die Langzeittherapie ist sehr komplex geworden, ein Allgemeinpraktiker ist selten in der Lage, der raschen Entwicklung zu folgen. Empfehlenswert sind die Universitätskliniken mit ihren spezialisierten HIV-Abteilungen, sowie spezialisierte HIV-Praktiker. Die Adressen der grösseren Schweizer Behandlungszentren findest Du hier.

Adressen der spezialisierten Praktiker kann man bei der regionalen Aids-Hilfe oder in einem universitären Zentrum abfragen. Falls Du auf dem Land wohnst und den langen Weg scheust - mein Tipp: Es lohnt sich, diesen auf sich zu nehmen. Die langfristige Qualität Deiner Behandlung ist sehr wichtig - Du musst ja bloss alle drei Monate hin, unter Umständen sogar nur alle sechs Monate.

Du sollst Dich bei Deinem Arzt wohl fühlen. Nur so kann eine Vertrauensbasis aufgebaut werden. Wenn die "Chemie" nicht stimmt (das kann auch bei gutem Fachwissen einfach passieren), sollte man den Arzt wechseln. Bevor man dies tut, sollte man aber erst mal ein offenes Gespräch mit dem betreffenden Arzt führen - vielleicht war da bloss ein Missverständnis, und reden kann Wunder wirken.

Ab und zu höre ich von schwulen Patienten, dass sie sich nur bei einem schwulen Arzt wohl fühlten. Ich kann zwar ein wenig verstehen, dass man Hemmungen hat, einem Hetero sein bewegtes Sexualleben auszubreiten. Doch die Furcht ist unbegründet. Ärzte in Unikliniken und in spezialisierten Praxen haut es nicht vom Stuhl, wenn sie von Deiner letzten Fistparty hören, oder von den Pillen, die Du für die Disco und andere Spässe einwirfst. Mit Ehrlichkeit in solchen Dingen hilfst Du vor allem Dir selbst, und ein Arzt, der mit solchen Informationen nicht umgehen kann wäre in der falschen Abteilung.

An Studien teilnehmen?
In der Uniklinik und auch bei einigen HIV-Praktikern wird man Dich fragen, ob Du an der Schweizer Kohortenstudie mitmachen willst. Du solltest, denn Dein Mitmachen hilft anderen Patienten und auch Dir selber. Die vorbildliche Behandlungsqualität in der Schweiz ist zu einem grossen Teil auf diese Langzeitbeobachtungsstudie zurückzuführen. Wir werden die Kohortenstudie in einem kommenden Artikel näher vorstellen.

Unter Umständen wirst Du auch gefragt, ob Du an einer anderen klinischen Studie teilnehmen willst. Falls Dein HIV-Testnachweis ganz frisch ist, und Du die Diagnose noch gar nicht verarbeitet hast, solltest Du eher nein sagen: Du hast jetzt genug mit Dir selbst zu tun. Wenn der Test weiter zurückliegt, oder Du gut damit klar kommst, mach mit. Die in der Schweiz laufenden Studien genügen höchsten ethischen Kriterien, und Du wirst in einer Studie hervorragend betreut. Zehntausende von Menschen mit HIV haben an solchen Studien teilgenommen, und damit zum medizinischen Fortschritt beigetragen. Lass Dir aber vom Arzt die Studie gut erklären, frage nach, wenn etwas nicht klar ist, oder bitte um Bedenkzeit. Du kannst auch Rat bei der „Study Nurse" (Studienpflegefachperson) holen. Eine solche gibt es in jeder Uniklinik auf der Infektiologie.

Muss ich jetzt gleich Pillen schlucken?
Es ist gut möglich, dass Du rasch eine Therapie brauchst, jedoch ebenso möglich, dass Du noch ein paar Jahre warten kannst. Diese Frage wird bei der Erstvisite abgeklärt, und zu diesem Zweck sind umfangreiche Untersuchungen nötig. Es kann Dir helfen, ein wenig zu verstehen, was da vor sich geht. Du bist in den kommenden Jahren der wichtigste Mitarbeiter Deines Arztes. Umso besser, wenn Du etwas mitreden kannst. Auf den Therapiestart kommen wir in einem späteren Artikel zurück.

Tipp
Am besten legst Du Dir eine Art Therapiebuch an. Dann hast Du die Daten immer zur Hand, wenn Du sie brauchst. Erfasst werden Datum der Arztvisite, CD4 absolut & relativ, sowie HIV RNA. Wenn Dir zwischen zwei Arztterminen etwas auffällt, schreib es ins Buch und besprich es beim nächsten Termin. So geht nichts vergessen. „Der Arzt hat diese Werte doch auch!" - natürlich hat er. Auf die Dauer ist es aber hilfreich, wenn man sich selber ein Bild machen kann, und mit seinen Werten vertraut ist. Es wird Dir auch helfen, Dich auf den nächsten Arztbesuch vorzubereiten.

Was wird alles getestet?
Deine medizinische Vorgeschichte wird erfasst. Diese Informationen helfen dem Arzt, Dich besser zu verstehen. Deine Grösse und Dein Gewicht werden gemessen, der Body Mass Index (BMI) wird bestimmt, der Blutdruck und der Hüftumfang werden gemessen. Die Bestimmung der Ausgangslage ist wichtig, da sich einige dieser Werte entweder durch die HIV-Infektion oder durch die Therapie verändern können.

Die Laboranalysen - die wichtigsten 

Bestätigungstest
Falls es nicht bereits gemacht wurde, muss zuerst der HIV-Antikörpertest bestätigt werden.  

CD4
Die CD4 sind die Abwehrzellen des Immunsystems. Das HI-Virus infiziert diese Zellen, und setzt dadurch mit der Zeit die Immunabwehr ausser Kraft.

Diesen Wert solltest Du Dir aufschreiben, denn er sagt etwas über den Zustand Deines Immunsystems, respektive das Fortschreiten der HIV-Infektion. Falls der Wert unter 350 Zellen sinkt, sollte nach heutigen Richtlinien die Therapie eingeleitet werden. Dein Arzt wird auch den Anteil der CD4 an den weissen Blutkörperchen bestimmen. Dieser wird mit einer Prozentzahl ausgedrückt. Beim gesunden Menschen beträgt dieser 30-60%. Da dieser Wert weniger schwankt als die absolute Zahl der CD4 gilt er manchmal als zuverlässiger. Es lohnt sich darum, auch diesen Wert aufzuschreiben und zu verfolgen.

Viruslast (HIV RNA)  
Dieser Wert misst die Anzahl Viren pro Mikroliter im Blut. Bei einer frischen Infektion ist dieser Wert sehr hoch, er sinkt später ab und erhöht sich wieder, was mit einer zunehmenden Immunschwäche einhergeht. Diesen Wert solltest Du Dir ebenfalls aufschreiben. 

CD4 und HIV RNA werden in der Regel alle drei Monate überprüft. Du wirst mit der Zeit merken, dass diese Werte schwanken. Das ist normal und soll Dir keine Sorgen bereiten. Die CD4-Zellen verändern sich ständig, denn das Immunsystem ist sehr vielen Einflüssen ausgesetzt. Ein Erkältung, eine Grippe, eine Geschlechtskrankheit setzen die CD4 vorübergehend unter Druck. Die HIV-RNA schwankt bei Patienten ohne Therapie. Ist die Viruslast unter Therapie jedoch einmal unterdrückt, sollte es bei wirksamer Therapie und hoher Therapietreue dabei bleiben.

Alle anderen Untersuchungen sind „weniger wichtig" für Dich als Patient. Sie sind deshalb nur kurz erklärt. Wenn Du mehr wissen möchtest, fragst Du am besten Deinen Arzt.

Andere Untersuchungen

HIV-Resistenztest
Geprüft wird, ob Dein Virus ein sogenannter „Wildtyp" ist, oder ob allenfalls Resistenzen gegen gewisse Medikamente übertragen wurden. Diese Medikamente würden dann bei einer allfälligen Therapie nicht eingesetzt, da sie nicht wirksam wären.

HLA B\*5701 Genotyp
Dieser testet die Hyperempfindlichkeitsreaktion beim Einsatz von Abacavir (ein antiretrovirales Medikament, häufig als Ersttherapie verwendet). Falls dieser Test positiv ausfällt, darf das Medikament nicht eingesetzt werden.

CCR5-Tropismustest
Dieser weist nach, durch welche Eintrittspforte das HI-Virus in die CD4-Zelle eindringt. Übertragene HI-Viren sind fast immer CCR5-positiv; 80-90% der noch nicht therapierten Patienten und 50-60% der vorbehandelten Patienten sind CCR5-positiv. Bei diesen Patienten kann ein CCR5-Blocker in der Therapie verwendet werden. Dieser Test wird vor Therapiebeginn wiederholt falls ein CCR5-Blocker verwendet werden soll. Im Verlauf einer fortschreitenden HIV-Infektion kann sich der Tropismus verändern, entweder auf gemischt CCR5/CXCR4 oder rein CXCR4. In diesen Fällen wäre ein CCR5-Blocker unwirksam.

Der HLA B*5701 Genotyp wird nur einmal bestimmt. Resistenz- und Tropismustests werden bei Bedarf wiederholt.

Leberwerte
Drei Leberwerte werden überprüft: die Aspartate Aminotransferase, die Alanine Aminotransferase und die alkaline Phosphatase. Falls die Leber beschädigt ist (z. B. durch eine Hepatitis, oder durch übermässigen Alkoholkonsum), steigen die Werte dieser Enzyme an.

Calcium
Weil HIV-Patienten ein erhöhtes Osteoporoserisiko haben - insbesondere bei Therapie mit gewissen Medikamenten -, wird der Calciumwert bestimmt. Die Osteoporose wird auch als Knochenschwund bezeichnet, sie macht anfälliger für Knochenbrüche. Bei der Osteopenie handelt es sich um eine Minderung der Knochendichte, sie ist die Vorstufe zur Osteoporose. 

Glucose
Die Glucose wird als Ausgangswert bestimmt. HIV selber beeinflusst diesen Wert nicht, aber einige antiretrovirale Medikamente tun dies. Insulinresistenz und Diabetes können als Folgen auftreten. 

Kreatinin
Der Kreatininwert und die Kreatinin-Clearance sind Nierenfunktionstests, ein hoher Kreatininwert weist auf Nierenprobleme hin. Die Kreatinin-Clearance wird sowohl gemessen wie auch geschätzt. Gewisse antiretrovirale Medikamente können dies beeinflussen, aber auch Präparate aus der Naturmedizin oder andere Faktoren. Auch eine Urinprobe auf Proteine und Zucker wird durchgeführt. Eine Proteinuria kann auf einen Nierenschaden oder Diabetes hinweisen.

Die Leberwerte, das Calcium, die Glucose und das Kreatinin werden unter Therapie alle drei Monate überprüft, ohne Therapie alle sechs bis zwölf Monate. 

Weitere Antikörpertests
Toxoplasmose: Eine häufige Infektionskrankheit die vor allem Katzen befällt und von diesen auf den Menschen übertragen wird. Problematisch ist sie für Schwangere und Menschen mit geschwächtem Immunsystem. 
Cytomegalievirus (CMV): Zwischen 60-100% der Menschen sind infiziert (je nach geografischer Lage). Bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem kann eine Neuinfektion mit CMV, oder auch einer CMV-Reaktivierung zu schwerwiegenden Problemen führen. 
Hepatitis A & B: Falls keine Antikörper vorhanden sind, werden HIV-Patienten geimpft (kombinierte Impfung). 
Hepatitis C: Gegen diese Form der Hepatitis gibt es keine Impfung. Eine Ko-Infektion mit Hepatitis C führt bei Menschen mit HIV zu einem schwereren Krankheitsverlauf in beiden Infektionen (HIV & Hep C begünstigen sich gegenseitig). Im Gegensatz zu HIV kann eine Hepatitis C geheilt werden (Spontanheilung oder nach Therapie). 
Syphilis: Wird getestet und falls positiv mit Antibiotika behandelt. 

Unter Umständen werden auch andere sexuell übertragbare Krankheiten geprüft (z. B. Chlamydien oder Tripper). Diese Antikörpertests werden bei Bedarf wiederholt. Lass Dich wegen dieser vielen Tests nicht aus dem Konzept bringen. Sie sind einfach Teil einer sorgfältigen Bestandesaufnahme. Die Toxoplasmose oder das CMV spielen heute bei einer rechtzeitigen Diagnose und Therapie kaum mehr eine Rolle.

Gebärmutterhalsabstrich (Patientinnen)
HIV-positive Frauen haben 10-mal häufiger einen abnormalen Gebärmutterhalsabstrich (Pap smear) als HIV-negative. Dieser wird durch das humane Papillomavirus verursacht. Mögliche Folgen sind Gebärmutterhalskrebs, genitale Warzen sowie Unfruchtbarkeit. Gegen dieses sexuell übertragbare Virus gibt es heute eine wirksame Impfung; sie wird speziell Mädchen und jungen Frauen im Alter von 12-26 Jahren empfohlen.

Soziale und psychosoziale Befindlichkeit
Dein Arzt wird Dir auch hier ein paar Fragen stellen. Häufig leiden Menschen mit HIV an nicht diagnostizierten Depressionen, oder sie sind grossem sozialem oder wirtschaftlichem Druck ausgesetzt. Diese sind oft eine Folge (oder Mit-Ursache) der HIV-Infektion. Diese Faktoren beeinflussen die Befindlichkeit der Patienten massiv; eine Überprüfung und Behandlung ist deshalb von zentraler Bedeutung. Alkohol- und Drogenprobleme treten ebenfalls häufig auf. Verschweige es nicht, wenn Du hier Probleme hast. Sehr wahrscheinlich kann man Dir helfen. 

Gerade in diesem sensiblen Bereich sind Fachkenntnisse und Erfahrung auf ärztlicher Seite von ganz besonderer Bedeutung. Eine wirksame Betreuung und Therapie sind nur möglich, wenn Du als Patient und Mensch ehrlich mit Dir selber und Deinem Arzt umgehst. Dinge zu verschweigen, unter den Tisch zu kehren hilft ganz sicher gar niemandem. Die HIV-Infektion ist Problem genug, mach das Beste draus!

Weiterführende Fachinformationen in deutscher Sprache findest Du auf www.hiv.ch; Patienteninformationen bei der Aids-Hilfe Schweiz.
Ein Arzt kann auch eine Ärztin sein, ein Patient eine Patientin. Zur besseren Lesbarkeit wird nur ein Geschlecht erwähnt.
Der Artikel ist aus der Optik eines Patienten geschrieben. Ich danke Dr. Jan Fehr vom Universitätsspital Zürich für die Durchsicht und wertvolle Anregungen vor allem im medizinischen Teil.

David H.U. Haerry

 

POSITIV 3/2010 © Aids-Hilfe Schweiz

Wie sieht eigentlich der Blick von der anderen Seite her aus? In der Schweiz leben etliche Menschen in serodifferenten Beziehungen, aber HIV-Negative Personen, die sich in dieser Situation befinden, kommen eher selten zu Wort. Eric* aus Zürich hat uns ein spannendes und bewegendes Gespräch gewährt.

SAN: Erzählst Du etwas über Dich?
Ich bin 23-jährig, komme ursprünglich dem Aargau. Ich lebe und arbeite seit 4 Jahren in Zürich als Grafiker. Seit meinem 16. Lebensjahr, weiss ich, dass ich schwul bin. Ich lebe seit vier Jahren in einer festen Beziehung. Mein Mann ist 37 und ist HIV-positiv, ich HIV-negativ.

Spielte HIV in deinem Leben eine Rolle, bevor Du deinen jetzigen Partner kennengelernt hast?
Ich dachte, "mich trifft es sicher nicht", und habe mich am Anfang nicht geschützt. Nachträglich habe ich mich testen lassen und es wurde klar, dass ich ein Riesenglück hatte. Ich benutzte ab da eigentlich immer Kondome und das Thema geriet in den Hintergrund.

Und jetzt lebst Du mit einem HIV-positiven Mann zusammen.
Ich hatte gar keine feste Beziehung im Sinn, als wir uns kennenlernten. Nachdem wir zusammen geschlafen hatten, wollte er unbedingt mit mir reden. Er sagte, es sei für ihn ein bisschen kompliziert. Und dann sagte er es mir. Ich glaube, das war für uns beide ziemlich hart. Ich musste es erst mal verdauen und wusste überhaupt nicht, wie ich reagieren sollte. Wir hatten es sehr schön zusammen, ich war schon ein bisschen verliebt. Und wir hatten uns geschützt. Aber ich wusste überhaupt nicht, was auf mich zukommt und war total unsicher. Aber mein Mann hatte eine tolle Einstellung, er ging die Sache mutig an und hat nicht mit seinem Schicksal gehadert.

Was hast Du gemacht?
Ich hatte einen guten Freund auf der Aids-Hilfe, mit dem habe ich darüber gesprochen. Er sagte mir gleich, dass es verschiedene zuverlässige Schutzmöglichkeiten gibt und dass die Gefahr, mich anzustecken, sehr klein sei. Und sogar wenn etwas schiefginge, könnte man eine Postexpositionsprophylaxe (PEP) machen. In einer festen Beziehung weiss man ja sofort, wenn etwas nicht stimmt und kann dann die PEP auch sofort machen. Das hat mir alles Mut gemacht. 

Nahm dein Partner damals eine HIV-Therapie?
Als wir uns kennenlernten noch nicht. Ich glaube, dass hatte auch mit seiner schlechten Beziehung zum Unispital zu tun. Er fühlte sich dort nicht gut betreut, speziell als schwuler Mann, und hat dann zum Hausarzt gewechselt. Das hat die Situation verbessert und er hat kurz danach mit der ART begonnen. Heute geht er nur noch zu den halbjährlichen Kontrollen ins Spital. Es war schön für mich, von da an eigentlich immer dabei zu sein bei den wichtigen Beratungen und Entscheidungen.

Wie erlebst du die HIV-Therapie deines Partners?
Ich habe mich von Anfang an stark damit beschäftigt. Am Anfang hatte er mit den Nebenwirkungen zu kämpfen und das hat mich erschreckt. Aber ich wollte auch für ihn da sein und wir haben eigentlich dann zusammen für die nötigen Anpassungen bei den Medis gekämpft, bis er das richtige hatte. Jetzt geht es mit der ART im Grossen und Ganzen sehr gut und die Virenlast ist bei meinem Mann immer unter der Nachweisgrenze. Natürlich sieht man bei allen Beschwerden gleich die Infektion oder die Tabletten als Ursache, auch wenn es gar keinen Zusammenhang gibt. Und es gibt praktische Herausforderungen, auf Reisen, zusammen mit anderen Medikamenten usw.. Man lernt zusammen, richtig damit umzugehen.

Empfindest Du das manchmal als Belastung?
Nicht stärker, als ich andere Dinge als Belastung empfinden würde. Jeder hat im Leben auch Schwierigkeiten, und in jeder Beziehung gibt es auch belastende Dinge. Für mich hatten diese Erfahrungen eine heilsame Wirkung. In der schwulen Welt sind Äusserlichkeiten und alles Materielle total wichtig. Krankheit und Unvollkommenheit werden stark verdrängt. Das wurde mir bewusst und ich habe gemerkt, dass das nicht gut ist. HIV hat mich sozusagen davon befreit.

Benutzt ihr zusammen Präservative?
Wir machen das jetzt lange, weil es für beide so stimmte. Aber mittlerweile habe ich öfter das Bedürfnis, auf den Pariser zu verzichten. Es ist ein Thema, das uns beschäftigt und der Wunsch ist in uns beiden gewachsen. Wir haben auch beide die Tests für die anderen sexuell übertragbaren Infektionen gemacht. Ich sprach es dann von mir aus an. Mein Mann fand es super, dass ich ihm so vertraue. Da waren die Botschaft der EKAF und die Infos der AHS schon eine wichtige Hilfe. Verrückt ist aber, dass wir es vermutlich niemandem sagen würden, ich besonders nicht meinen Eltern!

Was denkst Du, würde eine HIV-Infektion für Dich bedeuten?
Wer kann das wissen? Ich bin mir heute sicher, dass das Risiko praktisch Null ist. Und wenn es trotz allem geschehen sollte, dann musste es wohl so sein. Das muss jeder für sich beantworten. Statt mir den Kopf über diese theoretische Gefahr zu zerbrechen, beschäftige ich mich lieber mit der Realität meines Lebens und mit meiner Beziehung.

Was wünschst Du Dir und anderen Menschen in deiner, oder eurer, Situation?
Als schwuler Mann wünsche ich mir, dass mit dem Thema HIV anders umgegangen wird. Es ist nicht bloss "wichtig", es ist ein Lebensthema. Ein guter Umgang damit bringt jeden Menschen persönlich weiter. Aber vor allem möchte ich Menschen mit HIV dazu ermutigen, sich ihre Partner nicht nur unter ihresgleich zu suchen, sondern Mut zu fassen und für die Liebe zu kämpfen. Mein Mann hat es getan und ich kann mir heute nicht mehr vorstellen, ohne ihn zu sein. Jeder hat die Chance, den Richtigen zu finden.

Lieber Eric, Danke für dieses Gespräch.

Rainer Kamber, Aids-Hilfe Schweiz

 

* Name von der Redaktion geändert
POSITIV 1/2011
© Aids-Hilfe Schweiz, Newsletter "POSITIV"

Die einen möchten sofort, die andern möglichst spät, einige wenige möglichst gar nicht - Hürden zum Therapiestart gibt es etliche und viele Patienten fühlen sich sehr allein in dieser entscheidenden Situation. Überlegungen und Anregungen eines HIV-positiven Menschen.

„Mein Arzt* soll das entscheiden" - „Ich will die Therapie möglichst schnell, dann bin ich beruhigt" - „Ich habe Angst vor Nebenwirkungen" - „Ich habe Angst, mich zu outen wenn ich Pillen schlucken muss" - „So viele Tabletten, schaffe ich das?" - „Mein Immunsystem schafft das von alleine, wenn ich gut zu ihm bin und gesund lebe". Alle haben von der Kombinationstherapie gehört, sich irgendeine Strategie zurechtgelegt.

Wann starten?
Die ganz einfache Antwort lautet: sobald Du bereit bist. Dein Arzt wird sich in der Regel auf Therapierichtlinien stützen, und das Gespräch mit Dir suchen, sobald die Behandlung angezeigt ist. Die europäischen Richtlinien empfehlen aktuell einen Therapiebeginn bei ca. 350 CD4 pro Mikroliter. Die Tendenz geht aber im Moment eher in Richtung noch früher starten. Dafür sprechen Daten aus Überwachungsstudien (Kohortendaten).Die Faustregel: besser etwas zu früh als zu spät.

Wie starten?
Eine Übersicht der in der Schweiz zugelassenen Substanzen findet sich auf www.hiv.ch. Es sind insgesamt 23 Medikamente aus sechs verschiedenen Substanzklassen auf dem Markt (die Substanzklasse definiert den genauen Wirkungsmechanismus eines Medikaments). Dein Arzt wird vor Therapiebeginn einen Resistenztest durchführen, um zu prüfen, welche Medikamente optimal wirken. Dieser Test wird in der Regel bereits bei der Diagnose durchgeführt. Ebenfalls bereits vorliegen sollte der HLA B*5701 Genotyp - dieser ist verknüpft mit einer gefährlichen Hyperempfindlichkeitsreaktion beim Einsatz von Abacavir (ein antiretrovirales Medikament, häufig als Ersttherapie verwendet), sowie der CCR5-Tropismustest. Der Tropismustest wird wiederholt, falls diese Substanzklasse eingesetzt werden soll, weil sich der Virus-Rezeptor an der Zelloberfläche verändern kann.

Die Ersttherapie
In der Regel basiert die Ersttherapie entweder auf einem Nicht-Nukleosidanaloga, einem Protease- oder Integrasehemmer. Diese Substanz wird mit einem Kombinationspräparat aus der Klasse der Nukleosidanaloga ergänzt (in der Regel Kivexa oder Truvada). Wichtig: Alle Medikamente wirken gut. Unterschiedlich sind die Dosierungen, Einnahmeregeln und die Nebenwirkungen. Man muss also vor Therapiebeginn herausfinden, was am besten zu Dir passt, und wie Du die vorgeschlagene Therapie am besten in Deinen Alltag einbauen kannst.

Zum Beispiel: Pillen einmal oder zweimal täglich einnehmen? Neuen Patienten mag es helfen, wenn man nur einmal im Tag an Pillen denken muss; den erfahrenen spielt es hingegen kaum eine Rolle, denn auf Dauer ist optimale Verträglichkeit wichtiger als das Einnahmeschema.

Die „Therapietreue"
Treue ist immer eine Herausforderung, auch wenn es „nur" um Tabletten geht. Die langfristige Therapietreue musst Du vor dem Start eingehend mit Deinem Arzt besprechen.Denn dein aktives Mitmachen ist der wichtigste Faktor für den langfristigen Therapieerfolg und damit für Deine Gesundheit. Du selbst bist die wichtigste Stütze in diesem System, in Partnerschaft mit Deinem Arzt. Es gibt elektronische Hilfen, die Dich dabei unterstützen können, wie Handyalarm oder andere.

Was beeinflusst die Therapietreue?
Ein wichtiges Hindernis sind Depressionen. Wer oft niedergeschlagen ist, nicht mehr an die Zukunft glaubt, der vergisst die Tabletten gern, und das führt zu Resistenzen. Eine Depression sollte also vor dem Therapiestart behandelt werden. Wenn sie unter Therapie auftritt (das ist nicht selten), solltest Du erst Deinen Arzt informieren, und wenn nötig einen Psychotherapeuten aufsuchen.

Ein weiterer, wichtiger Faktor sind problematischer Alkohol- und Drogenkonsum. Beim Alkohol kann man mit etwas Ehrlichkeit selber feststellen, ob man ein Problem hat. Wer nach dem Aufstehen als erstes einen Drink braucht, oder schon mal von Freunden Bemerkungen anhören musste, hat Hinweise, die mit dem Arzt besprochen werden sollten.

Bei Drogen ist es schwieriger. Gelegenheitskonsum bei einer Party, hie und da am Wochenende ist unproblematisch. Wenn aber das hie und da zur Regel wird, oder Drogen wie Crystal Meth mit im Spiel sind, solltest du mit Deinem Arzt reden. Du musst Dir auch im Klaren sein, dass häufiger Drogenkonsum anfällig für Depressionen macht - viele Substanzen beeinflussen den Serotoninstoffwechsel negativ (das serotonale System ist bei jeder bekannten Depressionsform gestört, viele Anti-Depressiva wirken auf dieses System).

Wenn Du häufig Konzentrationsschwierigkeiten hast, oder die Libido nicht tut wie sie soll (es dir an Lust zum Sex mangelt), dann solltest Du mit Deinem Arzt darüber reden. Vielleicht hast Du Testosteronmangel oder aber eine Depression.

Ein weiterer, oft vergessener Faktor: Du solltest mit Deiner Therapie nicht alleine sein. Du brauchst Freunde/Freundinnen, vertraute Menschen, mit denen Du über Deine Therapie, Dein Leben mit HIV reden kannst. Wenn Du irgendwo plötzlich unter Druck kommst (z. B. wenn eine Beziehung in Brüche geht, bei einem Stellenwechsel), dann musst Du wissen wo Du anklopfen kannst und offene Ohren findest.

Wie schlimm sind die Nebenwirkungen?
Jedes wirksame Medikament hat Nebenwirkungen. Die antiretrovirale Therapie ebenso. Keine Therapie nehmen ist nebenwirkungsfrei, führt aber ins Spital oder noch weiter. Durchfall kann sofort eintreten, andere treten später auf oder Dein Arzt sieht sie bei der regelmässigen Überwachung. Frag Deinen Arzt nach den wichtigsten Nebenwirkungen in Bezug auf Deine Therapie. Es lohnt sich die Packungsbeilage der Medikamente zu lesen. Wichtig: Was auf der Packungsbeilage steht, muss nicht eintreffen.

Wenn Dich etwas beunruhigt, melde Dich bei Deinem Arzt oder Apotheker. Es gibt bei der heutigen Auswahl an Medikamenten keinen Grund, eine Therapie einzunehmen, die den Alltag beeinträchtigt. Manche Nebenwirkungen verschwinden nach zwei, drei Wochen; unter Umständen muss man aber die Therapie wechseln. Du und Dein Arzt sind das Team, auf das es hier ankommt.

Du solltest bei einem Therapiestart nicht gerade in die Ferien fahren - damit Du Deinen Arzt erreichen kannst, wenn etwas nicht gut geht. Angst brauchst Du keine zu haben, Du bist auch beim Behandlungsbeginn arbeitsfähig und musst Dich nicht krankschreiben lassen.

Im Vergleich zu noch vor 10 Jahren sind die Therapien einfacher (weniger Pillen weniger häufig) und verträglicher geworden. Es kann Dir auch helfen, mit erfahrenen Patienten über dieses Thema zu reden. Die Aids-Hilfe kann Dir Ansprechpartner vermitteln.

Was muss ich mir noch überlegen?
Gemäss Therapierichtlinien gibt es verschiedene weitere Faktoren, die einen Behandlungsbeginn beeinflussen. Wenn Du eine Hepatitis C-Koinfektion hast, solltest Du so früh als möglich starten. Eine schwangere Patientin sollte die Therapie nehmen, damit das Kind nicht angesteckt wird. Ein Ehepaar mit Kinderwunsch kann unter Therapie das Wunschbaby auf natürlichem Weg zeugen. Eine solche Situation solltest Du mit Deinem Arzt in Ruhe besprechen.

Wichtig ist auch das Thema der Ansteckungsgefahr: Unter erfolgreicher Therapie ist diese stark vermindert. Wenn Du also in einer Beziehung lebst, insbesondere wenn Dein Partner, Deine Partnerin HIV-negativ ist, kann dir eine Therapie nicht nur im medizinischen Sinne, sondern auch zwischenmenschlich helfen. Auch wenn Dein Sexualleben in einer wilden Phase ist, schützt Dich eine frühe Therapie vor „Betriebsunfällen" mit unangenehmen Folgen bei geplatzten Gummis.

Mein Arzt macht soviel Druck wegen der Therapie
Diese Klage hört man oft. Dazu ein paar Überlegungen: Der Arzt ist ein Mensch wie Du und ich, vielleicht steht er unter Zeitdruck, oder Deine HIV-Infektion wurde in einem späten Stadium festgestellt (in der Schweiz ist dies bei 25 Prozent der Patienten der Fall). Sicher arbeitet er nach bestem Wissen und Gewissen. Wenn Du für die Therapie bereit bist, kein Problem, wenn nicht, dann nimm Dir die Zeit, und suche ein Gespräch mit einer Drittperson - eine Pflegefachperson, oder eine Beratung bei einer regionalen Aidshilfe.

Eine oder zwei Wochen Zeit hast Du eigentlich immer. Wenn Du spät dran bist, Deine CD4 bei 50 sind - auch dann fällst Du nicht morgen tot vom Stuhl. Du wirst in diesem Fall sofort Antibiotika nehmen müssen, um möglichen sogenannt opportunistischen Infekten vorzubeugen. Das gibt Dir etwas Zeit zum Nachdenken, für weitere Gespräche, um mit Deiner Diagnose ins Reine zu kommen.

Überlege Dir vor dem Therapiebeginn generell und ehrlich, wie es um eventuell mögliches Suchtverhalten in Bezug auf Drogen, Zigarettenrauchen und Alkohol steht. Das erleichtert Deine Kommunikation mit dem Arzt bedeutend. Je ehrlicher Du zu Dir selber bist, desto besser hast Du Dich und Deine künftige Therapie im Griff.

David H.U. Haerry

 

POSITIV 5/2010 © Aids-Hilfe Schweiz

 

Im Juni 2010 hat die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) eine Empfehlung zu HIV/Aids in der Arbeitswelt verabschiedet und anlässlich einer Pressekonferenz im Rahmen der Internationalen Aidskonferenz in Wien im Juli 2010 der Öffentlichkeit vorgestellt. Es handelt sich um die erste internationale Arbeitsnorm zu HIV/Aids im Arbeitsumfeld.

Mit überwältigendem Mehr wurde im Juni 2010 anlässlich der 99. Internationalen Arbeitskonferenz die Empfehlung betreffend HIV und Aids in der Welt der Arbeit (Recommendation concerning HIV and AIDS and the World of Work) von Regierungen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen angenommen. Ziel dieser Empfehlung ist insbesondere die Bekämpfung von Diskriminierungen von Menschen mit HIV im Arbeitsumfeld (z.B. missbräuchliche Kündigung oder Nichtanstellung aufgrund von HIV, Datenschutzverletzungen, etc.). 

Alle 183 ILO-Mitgliedstaaten, wozu seit 1919 auch die Schweiz gehört, haben die Pflicht, die Empfehlung den zuständigen nationalen Behörden - in der Regel dem nationalen Parlament - zur Kenntnisnahme zu unterbreiten. Die Empfehlung ruft die Mitgliedstaaten dazu auf, nationale HIV Arbeitsplatzreglemente und -programme in Zusammenarbeit mit Regierungsorganisationen, Arbeitgeberorganisationen, Gewerkschaften und HIV-Organisationen zu entwickeln und nach Möglichkeit in nationale Gesetze zu integrieren Alle Mitgliederstaaten müssen innerhalb eines Jahres der ILO Bericht darüber erstatten, welche Schritte sie zur Implementierung der Empfehlung unternommen haben.

Die ILO-Empfehlung als PDF .Weitere Informationen der ILO zum Thema HIV finden sich auf http://www.ilo.org.

Caroline Suter, Aids-Hilfe Schweiz

 

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