Eine sehr gute Adhärenz (Therapietreue) ist entscheidend für den Therapieerfolg. Bei manchen Patienten bleibt die Viruslast jedoch auch dann unterdrückt, wenn sie zugeben, mit der Therapietreue Probleme zu haben. Die Forscher der SHCS vermuteten genetische Ursachen welche die Medikamentenspiegel beeinflussen. Die eben publizierte Studie zeigt: nicht die Gene machen es, aber die Dauer der Therapie.
Die gute Adhärenz langfristig aufrechterhalten ist eine der grössten Herausforderungen für Menschen mit HIV. Aus verschiedenen Studien wissen wir, dass die Therapietreue bei Kombinationen auf Basis von Proteaseinhibitoren (PI, z B Prezista oder Reyataz) über 95%, auf Basis von Nicht-Nukleosidanaloga (NNRTI, z B Stocrin oder Viramun) mindestens 80% betragen sollte. Einige Patienten haben Mühe mit dieser Aufgabe, und wiederum einige unter ihnen haben trotzdem Glück: ihre Viruslast bleibt trotz ungenügender Adhärenz unterdrückt.
Wir wissen bereits, dass die Medikamentenspiegel in den einzelnen Patienten aus vielen Gründen variabel sind. Neue Forschung zeigt, dass genetische Veränderungen in Enzymen, welche Medikamente abbauen oder transportieren einen Einfluss auf die Medikamentenspiegel haben können. Die Schweizer Forscher vermuteten deshalb dass solche genetischen Faktoren bei gewissen nicht adhärenten Patienten eine Rolle spielen könnten.
In die Studie eingeschlossen wurden weisse Patienten (keine Afrikaner oder Asiaten – die ethnische Zugehörigkeit ist auch ein die Medikamentenspiegel beeinflussender Faktor), welche zwischen 2003 und 2009 über Adhärenzprobleme berichtet haben, bei denen in der Berichtsperiode mindestens zweimal die Viruslast bestimmt wurde und die entweder den NNRTI Stocrin oder den PI Kaletra verordnet hatten. Bei allen Teilnehmern wurden die Eigenschaften bestimmer Polymorphismen (= verschiedene Varianten derselben Gene) untersucht.
Resultate
Während der Studiendauer von sechseinhalb Jahren wurden 648 Fälle schlechter Adhärenz von 542 Patienten registriert. Drei Viertel der Patienten auf Stocrin hatten trotzdem eine unterdrückte Viruslast. Bei Kaletra waren es 55% der Patienten. Es konnte kein Zusammenhang zwischen trotz schlechter Adhärenz unterdrückter Viruslast und genetischen Eigenschaften hergestellt werden. Bei Patienten mit Adhärenzproblemen, die zwei mal täglich Kaletra einnehmen, blieb die Viruslast besser unterdrückt als bei jenen, die es einmal täglich nehmen.
Die Daten zeigen aber dass die Wahrscheinlichkeit, das Virus trotz schlechter Adhärenz zu unterdrücken mit der Therapiedauer zusammenhängt. Je länger die Patienten auf erfolgreicher Therapie waren, bevor sie Probleme mit der Adhärenz hatten, desto wahrscheinlicher blieb die Therapie trotzdem erfolgreich.
In Kürze könnte man sagen: Patienten welche einen guten Therapiebeginn haben und die Viruslast ein paar Jahre unterdrücken, dürfen sich mit der Zeit eher einen Ausrutscher erlauben. Genetische Glückspilze gibt es nicht, die Adhärenz bleibt eine langfristige Herausforderung für die HIV-Patienten.
Text:David Haerry
© Aids-Hilfe Schweiz, Newsletter “POSITIV”
Glass TR, Rotger M, Telenti A, Decosterd L, Csajka C, et al. (2012) Determinants of Sustained Viral Suppression in HIV-Infected Patients with Self-Reported Poor Adherence to Antiretroviral Therapy. PLoS ONE 7(1): e29186. doi:10.1371/journal.pone.0029186
Jahrelang habe ich meinen Nächsten nichts von meiner Infektion erzählt. Zu gross waren meine Ängste. Als ich mich ihnen stellte, merkte ich, dass sie übertrieben waren. Vielen geht es ähnlich. Früher oder später überwinden aber die meisten ihre Ängste.
Der englische Begriff Disclosure lässt sich im Deutschen nur umständlich übersetzen mit «seine HIV-Infektion enthüllen». Wir sprechen vom Coming-out oder «sagen jemandem, dass ich HIV-positiv bin». Für Menschen mit einer HIV-Diagnose sind Fragen rund um das Coming-Out zentral: wem sag ich’s, wie sag ich’s, wann sag ich’s? Soll ich’s überhaupt sagen? Die Entscheidung, mit Bezugspersonen über unsere HIV-Infektion zu sprechen, wirkt sich nachhaltig auf alle Lebensbereiche aus.
Beratung
Gerade bei einer solch schwierigen Situation wäre ein Gespräch mit einer Vertrauensperson hilfreich – und genau das ist die Krux: es geht ja um die Frage, ob ich eben dieser Person meine HIV-Diagnose anvertrauen kann und will. Für dieses Dilemma gibt es keine einfachen Lösungen, doch es gibt in der Schweiz regionale Aids-Hilfen, die Menschen, die mit dieser Entscheidung ringen, Beratung anbieten. Beratung kann mich dabei unterstützen, mir die Konsequenzen meiner Entscheidung bewusst zu machen, sie abzuwägen und einzuschätzen, ob, wem, wie und wann ich es mitteilen will. Sie kann mir meine rechtlichen Möglichkeiten und weitere Aspekte aufzeigen.
Die Angst wird zum Schattenmonster
Beratung kann mir jedoch nicht den Schritt abnehmen, den ich letztendlich selber tun muss: Mich meiner Angst vor Diskriminierung wegen HIV zu stellen. Die Chinesen bezeichnen im Tai Chi eine Position mit: «den Tiger bei den Ohren packen». Das ist dieser entscheidende Moment, in dem die Prinzessin ihrer Angst Aug in Aug gegenübertritt und bereit ist, den Frosch zu küssen. Dieser Moment, in dem ich meinen ganzen Mut mobilisiere und mich der Angst stelle. Diese Angst vor Diskriminierung war für mich so ein Monster, das meine Phantasie erschaffen hatte. Und gerade weil ich dieses Monster selber erschaffen habe, konnte nur ich ihm entgegentreten und es besiegen. Leider belegen Diskriminierungsmeldungen der Aids-Hilfe Schweiz, dass auch 2012 Menschen wegen HIV in der Schweiz diskriminiert werden. Die Angst davor ist jedoch ein psychisches Schattengewächs, das im Geheimen spriesst und leicht Dimensionen annimmt, die mein Wohlbefinden und meine psychische Gesundheit beeinträchtigen können.
Verwandlung
Nach meiner HIV-Diagnose war es meine grösste Angst, dass irgendjemand davon erfahren und es weitersagen könnte. Diese Angst hing wie ein dunkler Schatten über mir und raubte mir zunehmend Kraft, Energie und Lebensfreude. Ich war absolut überzeugt davon, zu wissen, wie beispielsweise mein Vater auf meine HIV-Diagnose regieren würde. Dass er nicht so, sondern ganz anders reagierte, war ein positiver Schock, der mein Leben verändert hat. Mehr als sechs Jahre habe ich gebraucht, bis ich den Mut fand, es ihm zu sagen. Als er mich in die Arme schloss mit den Worten: «Du bist auch mit HIV meine Tochter!» brach für mich eine Welt der Angst vor Diskriminierung zusammen. Ein Schlüsselerlebnis für mich war, dass sich die Angst in dem Moment, als ich sie konfrontierte, nicht einfach nur verschwand. Sie verwandelte sich in etwas Kraftvolles, Positives, Bleibendes - in eine Art Potenzial. Mein Vater umarmte mich und wir haben seither eine bessere Beziehung als je zuvor.
Befreiung aus der Angst
Mehr noch: diese positive Erfahrung hat mich ermutigt, weitere Schritte gegen meine – so hatte ich erkannt – der Realität nicht wirklich angemessene Angst zu unternehmen. In der Folge sprach ich mit meinem Chef und mit Freundinnen über meine HIV-Infektion. Für mich ging es um die zentrale Frage: will ich dieser Angst weiterhin erlauben, mein Leben zu überschatten und zu bestimmen? Ich hatte das Glück, dass eine Therapeutin mich in diesem Prozess begleitet hat. Meine Angst hat mir den Weg gewiesen. Von meinen Ängsten kann ich lernen, sie zeigen mir auf, was es noch zu tun gibt. Die Angst ist dort am grössten, wo ich am meisten zu verlieren habe: bei den Menschen, die ich liebe. Mich meinen Ängsten zu stellen, hat mich für das Leben stark gemacht und mir aufgezeigt, wie ich mit Ängsten umgehen kann.
Studie über Frauen und die Zeitdauer bis zu ihrem Coming-out
Meinem Partner habe ich die HIV-Diagnose sofort mitgeteilt, um es weiteren Personen zu sagen, habe ich sechs oder teilweise mehr Jahre gebraucht. Eine amerikanische Studie hat nun untersucht, wie lange 125 Frauen brauchten, um ihren Partnern, Familien und Freunden ihre HIV-Diagnose zu offenbaren. Die Studienresultate bestätigen meine Einschätzung: Frauen mit einer HIV-Diagnose sagen es zuallererst ihren Lebenspartnern und erst später Familienmitgliedern oder Freunden. Diese Resultate widersprechen Studien aus den 90er Jahren, nach denen Frauen eher mit Freunden als mit Familienangehörigen über ihre HIV-Infektion sprachen. Die Autorinnen interpretieren das als Hinweis dafür, dass sich bei Frauen die Art ihrer Disclosure verändert hat. Ich bin mir sicher, dass die antiretrovirale Therapie für diese Veränderung im Disclosure-Verhalten eine wichtige Rolle spielt. Seit 1996 hat sich die medizinische Behandlung der HIV-Infektion kontinuierlich verbessert und heute muss HIV bei rechtzeitiger Diagnose nicht mehr zu Aids führen.
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Zeitraum von HIV-Diagnose bis Coming-out |
Familie |
Kinder |
Freunde |
Partner* |
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1 Monat nach HIV-Diagnose |
46 % |
21 % |
30 % |
45 % |
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12 Monate nach HIV-Diagnose |
60 % |
31 % |
52 % |
71 % |
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24 Monate nach HIV-Diagnose |
68 % |
43 % |
61 % |
75 % |
*) 5 der 173 genannten Partner (inkl. ehemalige und Liebhaber) sind weiblich Zu denken gibt angesichts der heutigen Situation, dass nach zwei Jahren noch mehr als 30 % der Frauen weder mit Familienangehörigen noch mit Freunden über HIV zu sprechen scheinen. Es dauerte immerhin 12 Jahre, bis mehr als 90 % der Studienteilnehmerinnen mit mind. einem Familienmitglied über ihre HIV-Diagnose gesprochen haben. Nach 13 Jahren (!) haben sich 97 % ihren Partnern gegenüber geoutet, und nur gerade 3 % erklärten, dies zu keinem Zeitpunkt keinem Partner gegenüber getan zu haben. Dies macht deutlich, dass einige Frauen viel Zeit und teilweise auch Jahre brauchten, um sich ihren Ängsten zu stellen. Aber es macht auch Mut: wir lassen es auf die Dauer nicht zu, dass Angst unser Leben bestimmt. Wir packen den Tiger bei den Ohren.
Text: Romy Mathys
© Aids-Hilfe Schweiz, Newsletter “POSITIV”
Quelle: Serovich Juliana Maria, Craft Shonda M., Reed Sandra J. Women’s HIV Disclosure to Family and Friends. AIDS Patient Care and STDs, Volume 26, Number 4, 2012.
Der Positivrat Schweiz unterstützt die Oslo-Declaration.
Alle paar Jahre mal kommt ein Lebenszeichen aus der AAS-Ecke: Wissenschaftlich unhaltbare Informationen, welche HIV-positive Menschen diskriminieren und die offizielle Schweizer HIV-Politik konsequent nicht beachten. Dahinter steht der dubiose Verein „AIDS-Aufklärung Schweiz“ (AAS). Ein Blick in das letzte Pamphlet.
HIV/Aids – AKTUELL; Alles über die HIV-Infektion – das tönt gut, und ist ansprechend aufgemacht. Stutzig wird der aufmerksame Leser ab Seite 25, im Kapitel „HIV-Übertragung“. Da steht unter „Oralverkehr“, Zitat: „Er weist ebenfalls ein HIV-Übertragungsrisiko auf. Oralverkehr bedeutet lecken oder saugen am Penis, and der Vagina oder am Anus. Bei all diesen Sexualpraktiiken besteht zwar ein deutlich geringeres Ansteckungsrisiko als beim Vaginal- und Analverkehr, aber mehrere Studien belegen erfolgte HIV-Übertragungen.“ Besagte Studien werden nicht zitiert. Die offizielle Präventionspolitik der Schweiz beschränkt sich seit vielen Jahren auf die einfache Empfehlung „bei Oralverkehr kein Sperma oder Menstruationsblut in den Mund“.
Aber damit nicht genug, es folgt: „Zungenküsse: Das Risiko einer HIV-Ansteckung bei Zungenküssen ist sehr klein. Dennoch könnten bei längeren Küssen dieser Art HIV-Viren durch Wunden im Mund- und Lippenbereich von einem infizierten Partner zum anderen gelangen. Aufgrund dieser möglichen Ansteckungsgefahr wird von Zungenkössen mit infizierten Partnern abgeraten.“ Das ist schon sehr viel Unsinn in drei Sätzen, und natürlich wieder nicht belegt.
Auf Seite 29 kommt es ganz dick: „Für Menschen mit einem hohen Sicherheitsbedürfnis gibt es sichere Methoden, einen Liebespartner zu wählen – ohne das Risiko einer HIV-Infektion. Heutzutage birgt eine neue sexuelle Beziehung grundsätzlich die Gefahr einer HIV-Infektion in sich. Aus diesem Grund ist es wichtig, den Partner sorgfältig auszuwählen. Bei einem nicht-infizierten Partner ist eine Ansteckung ausgeschlossen. (...) Sorgfältige Partnerwahl bedeutet, einen Partner zu suchen, der nicht HIV-infiziert ist, zu einem passt (...). Menschen mit HIV taugen also nicht für eine Partnerschaft mit Leuten „mit einem hohen Sicherheitsbedürfnis“.“ Da findet sich kein Wort zu sicherem Kinderkriegen trotz HIV, zum EKAF Statement und dem verschwindend kleinen Übertragungsrisiko unter Therapie. Dafür wird auf Panik gemacht (HIV-Risiko bei jeder neuen sexuellen Beziehung) – das mag für schwule Männer noch zutreffen, ist bei Heteros hingegen Fehlanzeige.
Auch zur Sicherheit von Kondomen äussert man sich: „Nur Kondome beim Seitensprung zu verwenden, ohne den Partner darüber zu informieren, ist nicht fair, da eine Ansteckung nicht sicher ausgeschlossen ist.“ Damit wird unterstellt, dass Kondome trotz richtiger Anwendung nicht sicher genug wären. Doch damit nicht genug: „Bei der Reduktion von HIV-Risiken geht es nicht nur darum, die Anzahl Sexulapartner zu reduzieren, sondern möglichst keinen Sexualkontakt zu einem HIV-Infizierten einzugehen.“ Solche Qualifizierungen sind falsch, widersprechen der nationalen HIV-Politik, und sie beleidigen, ja diskriminieren Menschen, die mit HIV leben.
Unbelegte Pseudowissenschaft und Panikmache etwas weiter hinten, wieder zum Kondom: „Das Kondom senkt das Risiko einer HIV-Übertragung wirksam um das 5- bis 10-fache, schliesst es aber nicht ganz aus.“ Das ist so gesagt an den Haaren herbeigezogen und in keiner Weise belegt.
Auf Seite 39 weiss die Broschüre dann auf einmal dass antiretrovirale Medikamente das Ansteckungsrisiko senken – und fährt dann weiter, dass das Ansteckungsrisiko nicht ganz ausgeschlossen sei (das hat auch nie jemand behauptet) und von einer dokumentierten Ansteckung im Jahre 2008 berichtet. Nun, mit dieser dokumentierten Ansteckung hat es seine Tücken; der publizierende Arzt hat sich mittlerweile von seiner damaligen Interpretation distanziert. Weiter schwafelt die Broschüre von Menschen, welche die HIV-Medikamente nicht vertragen, und von solchen, welche wegen Resistenzen keine wirksamen Medikamente mehr hätten. Kein Wort oder Hinweis, dass man Patienten bei Unverträglichkeit umstellt (wir haben ca. dreissig zugelassene Substanzen); und dasselbe auch bei Resistenzen tut. Es gibt heute in der Schweiz kaum einen Patienten mehr, welcher nicht mit einer gut verträglichen Therapie behandelbar ist.
Das unsägliche Pamphlet wurde 2010 in einer Auflage von insgesamt 25'000 Exemplaren in vier Sprachen gedruckt und der Hausarztpraxis beigelegt. Seither liegt es in Arztpraxen auf. Der Präsident der damaligen Eidgenössischen Kommission für Aidsfragen EKAF, Prof. Pietro Vernazza und die Aids-Hilfe Schweiz haben damals bei den Verantwortlichen der AAS interveniert. Offenbar bekam der Verein kalte Füsse; es wird jetzt eine Neuauflage nachgereicht, welcher der Ärztezeitung im Mai 2012 beigelegt wird. Die übersetzten Ausgaben wurden nicht angepasst – der oben kritisierte Unsinn wird also weiterverbreitet. Im Jahresbericht 2010 beklagt die AAS eine „unerwartet heftige unsachliche Reaktion seitens der Aids-Hilfe Schweiz sowie der EKAF“.
Ein Blick in diese Neuauflage zeigt, dass man zwar auf die allzustossenden und unhaltbaren Behauptungen verzichtet, aber nach wie vor vor einer Liebesbeziehung oder Ehe mit einem HIV-positiven Menschen warnt. Man schürt weiterhin falsche Ängste und verbreitet ein überholtes anachronistisches Weltbild vom Leben mit HIV. Offensichtlich will man zu der von UNAIDS und im nationalen HIV Präventionsprogramm gesetzten Schwerpunkten und Interventionsachsen ein konservatives Gegengewicht setzen. Vor zwei Jahren hat sich die AAS damit blamiert, doch sehr viel glaubwürdiger steht man mit der Neuauflage nicht da.
Wer ist die Aids-Aufklärung Schweiz?
Autor der Broschüre ist ein Dr. med. Kurt April, Psychiater aus Horgen (letzteres wird schamhaft verschwiegen). Die Einleitung schrieb die ehemalige Leiterin des Instituts für medizinische Virologie der Universität Zürich, Frau Prof emeritus K. Moelling. Letztere hat zwar zu HI-Virusreplikation publiziert, doch war sie nie klinisch in der HIV-Therapie tätig.
Die Aids-Aufklärung Schweiz als Herausgeberin ist dem 2002 aufgelösten Verein für psychologische Menschenkenntnis VPM entsprungen (Vereinsgründung 1989, Aktivitäten seit 1985). 1992-1993 erschienen in der Schweizer Presse mehr als 2'700 kritische Artikel zum VPM, fast jeder enthält einen Sektenvorwurf. Der Journalist Hugo Stamm ist der Meinung, dass ehemalige VPM Mitglieder die Aktivitäten des Vereins weiterführen, und die Aids-Aufklärung Schweiz ist offenbar eines der Vehikel. Der heutige Präsident Dr. Kurt April bekennt sich im Gespräch zu seiner Mitgliedschaft im ehemaligen VPM.
Ein Blick auf den Vorstand listet Mediziner, verschweigt aber wohlweislich deren Fachgebiet. Eine kleine Recherche bringt folgendes zutage: Fantacci: Allgemeinmedizin; Holzmann: Orthopäde; Häcki: Gastroenterologe; Schlinkmeier: Gynäkologie; April: Psychiatrie. Weit und breit kein Infektiologe, niemand aus der Schweizerischen Kohortenstudie.
Beim wissenschaftlichen Beirat ist man etwas gesprächiger, aber keiner der genannten Professoren ist in den letzten 12 Jahren an einem HIV-Kongress in Erscheinung getreten. Klinische Erfahrung mit HIV-Patienten hat keine der involvierten Persönlichkeiten.
Zur Transparenz der AIDS-Aufklärung gehört auch, dass Jahresberichte mit Verzögerung publiziert und keine Angaben zur Herkunft der finanziellen Mittel gemacht werden. 2006 und 2007 publiziert man Spendenerträge unbekannter Herkunft über 430'000 und 486'000 Franken; 2008 bis 2010 zwischen 327'000 und 355'000 Franken. Woher kommt dieser Geld? Wer versteckt sich hinter der AAS? Wo und wie werden die erheblichen Mittel gesammelt? Verwechseln ahnungslose Spender die AAS mit der Aids-Hilfe Schweiz?
Die AAS brüstet sich auch mit dem «Special Consultative Status with the Economic and Social Council of the United Nations» (ECOSOC)”. Dieser Status wird aufgrund vager Kriterien jährlich an etwa 600 NGOs vergeben, doch ist nicht klar, mit welcher Unterstützung die AAS sich das Glaubwürdigkeit heischende Label erlangt hat. Auf jeden Fall beruft sich die AAS gerne darauf, um sich als seriöse Organisation darzustellen.
Es wäre an der Zeit, dass sich die Standesorganisation der Schweizer Ärzteschaft um den Verein Aids-Aufklärung kümmert. HIV-Desinformationen von Orthopäden, Gynäkologen und Psychiatern, das brauchen wir nicht. Sie zementieren Ängste, Stigma und Diskriminierungen gegenüber Menschen mit HIV unter dem Deckmantel eines fundamentalistischen Verständnisses von Public Health.
Dr. Kurt April, Präsident der AIDS-Aufklärung Schweiz, legt Wert auf folgende Feststellung:
«Bei der Gründung 1989 waren zwei von 9 Vorstandsmitglieder der Aufklärung Schweiz dem VPM nahestehend. Seit mehr als 15 Jahren distanziert sich die AIDS-Aufklärung Schweiz unmissverständlich vom VPM. Die AIDS-Aufklärung Schweiz hat nichts, aber auch gar nicht gemeinsam mit den Meinungen des damaligen VPM und seinen Nachfolgeorganisationen. Es bestehen auch keine organisatorischen, personellen oder finanziellen Verflechtungen mit VPM-Nachfolge-Organisationen. Hugo Stamm kennt diesen Sachverhalt.»
Der Positivrat hält an seiner Darstellung fest.
Gerade die Institutionen, welche eine langjährige Erfahrung in der Behandlung von Menschen einer HIV-HCV-Koinfektion haben, dürfen gemäss BAG diese Behandlungen nicht durchführen.
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